Winter Rennrad Abenteuer im Apennin
Die spontane Idee
Für eine im Frühjahr 2013 geplante Rennradreise an der Grenze von Ligurien und der Toskana hatte Lukas als Alternative zum ursprünglichen Standort Sarzana, das kleine Örtchen Vezzano Ligure entdeckt.
Im Dezember 2012 hatte ich ein wenig Luft im Kalender und beschloss spontan ein langes Wochenende dort hin zu fahren. Die Anfrage bei Lothi, ob er dabei sei, wurde mit einem ebenso spontanen „Ja“ beantwortet und so sassen wir am Donnerstagabend bereits mit Vorfreude auf einige Tage Sonne und Restwärme im Auto in Richtung San Bernadino.
Das es unweit vom Meer aber auch in Italien kalt und weiss werden kann ahnten wir zu diesem Zeitpunkt, benebelt durch freudige Naivität noch nicht. Warum auch. Hätten wir geahnt, was wir vorfinden werden, hätten wir es wohl auch genau so durchgezogen.
Die weisse Po Ebene
Ich hatte Lothi am Bahnhof in Romanshorn (Schweiz) abgeholt und bis zum San Bernadino lief alles völlig normal.
In der Regel lässt sich die Strecke gut in 6 Stunden fahren. Bernadino, vorbei an Milano, bei Parma in Richtung Apennin abbiegen und das Magratal hinunter ans Meer. Stressfrei und nicht allzu lang. Vor allem in der Po Ebene ist es ein angenehmes dahin rollen. Normalerweise. Bereits zwischen Como und Mailand nahm die Bewölkung zu. Kurz hinter Mailand begann es zu schneien und innerhalb kürzester Zeit hatte sich die Po Ebene in eine weisse Landschaft mit geschlossener Schneedecke auf der Autobahn verwandelt.
Am Fusse des Apennin wurde es dann richtig anstrengend. Liegengebliebene LKW, immer höherer Schnee und erst weit oben begannen Räumfahrzeuge die Fahrbahn befahrbar zu halten. Erst bei Pontremoli war die Autobahn wieder schneefrei. So erreichten wir unser Hotel in Vezzano Ligure deutlich später als geplant. Das Restaurant war aber noch geöffnet, so dass wir noch gemütlich Essen konnten bevor wir recht müde ins Bett fielen.
Die Krux mit den Himmelsrichtungen
Das Frühstück hatten wir gemütlich auf 9 Uhr gelegt, die Abfahrt war auf 10 Uhr geplant. Immerhin war durch das winterliche Wetter auch die Temperatur entsprechend niedrig. Minus in der Nacht, ca. 4 Grad bei Abfahrt und unsere Tour in den Apennin sollte bis über 1000 Meter hinauf gehen. Die Strasse hinunter ins Magratal gingen wir vorsichtig an. Im Magratal fuhren wir uns dann warm hinüber in das Varatal. Geplant hatte ich eine Runde von 120 Kilometern. Zunächst vom Varatal nach Rocchetta di Vara und weiter zum Passo del Rastrello. Von dort dann über Zeri nach Pontremoli und durch das Magratal wieder zurück. Vor allem der Teil vor dem Rastrello, mit einigem Auf- und Ab galt meinem Interesse. Ich wollte schauen, ob die kleinen Strassen tauglich für unsere Reisegruppen sind.
Wir verliessen das Varatal über den ersten schönen Anstieg, die Sonne wurde immer kräftiger und es war uns angenehm warm. Es wurde immer einsamer, wir durchfuhren kleine Dörfer welche verstreut in dieser einsamen Gegend liegen. In einem mussten wir zügig abbremsen um nicht von einem ungewöhnlichen Duo, bestehend aus Hund und Schwein, umgerannt zu werden. Das erlebe ich nicht einmal in meinem landwirtschaftlich geprägten Heimatrevier.
Mit den zunehmenden Temperaturen schwand auch die Gefahr von Glatteis… dachten wir. In der folgenden Abfahrt, durch ein kurzes Waldstück befand ich mich hinter Lothi plötzlich auf einem gut 4 Meter langem Stück vereister Strasse. Ein Bach schien darüber gelaufen zu sein und da wir uns zum einen auf der Nordseite des Bergs befanden und dazu noch im Wald, hatte die Sonne hier noch nicht ihre Kraft ausspielen können.
Adrenalin schoss ein und ich überlegte was tun. Die Antwort war schnell und klar. NICHTS… nicht bremsen, nicht lenken, nicht zucken, nur hoffen. Hoffen, dass vor der Kurve, welche zunehmend näher kam, dieses Rinnsal zu Ende sein würde. So war es dann zum Glück auch. Unter mir war wieder „normaler“ Asphalt, ich griff beherzt in die Bremse und konnte noch problemlos und genug herunterbremsen um die Kurve normal zu durchfahren. Glück gehabt.
Am Ende der Abfahrt hielten wir erst mal an und berieten uns. Auf die Frage, warum Lothi nichts gerufen hat als das Eisstück kam meinte er nur „Hatte keine Zeit… war anderweitig beschäftigt.“. Das konnte ich wiederum gut nachvollziehen.
Wir beschlossen die Tour weiterzufahren, einfach bergab etwas vorsichtiger.
Es folgte eine sehr schlechte Strasse hinauf zur „Hauptstrasse“ auf den Rastrello. Bereits einige Zeit bevor wir dort waren wurde die Landschaft um uns herum weisser und auch die Strasse war zunehmend Schnee bedeckt. Auf der Hauptstrasse angekommen änderte sich dieses Bild nicht, das Fahren auf dem Schnee wurde aber mit dem besseren Untergrund leichter. Es waren noch ca. 150 Höhenmeter bis zum Pass, der Schnee war nicht tief, die Sonne wärmte uns gut. Wir fanden also keinen Grund hier abzubrechen. Auf diesem Untergrund müssten wir auch runter klar kommen. Und 150 Höhenmeter kann man bergab auch mal schieben. Beide hatten wir MTB Schuhe an, so dass dies auch recht komfortabel möglich sein würde.
Auf dem Pass lag schon recht gut Schnee und hier ahnten wir langsam, dass wir erneut einen Süd- Nord-Denkfehler gemacht hatten. Wir waren die Südseite herauf gekommen, wo seit dem frühen Morgen die Sonne rein schien. Wir mussten die Nordseite runter, wo streckenweise noch kein Sonnenstrahl hingekommen war. Egal. Wir wollten die Tour durchziehen. Klar war, dass wir nur hier runter mussten. Alle weiteren Anstiege der Tour blieben weit unter den 1040 Metern über Meer, wo wir uns gerade befanden und würden sicher Schneefrei sein.
Die Abfahrt ging dann auch zunächst besser als erwartet. Ein Fuss eingeklickt im Pedal, auf dem Oberrohr sitzend und mit dem anderen Fuss auf dem Boden, im Schnee mit steuern. Lothi war dabei deutlich mutiger als ich und fuhr stets etwas voraus. Waren es hoch ca. 200 hm im Schnee, so hatten wir bergab circa 500 zu bewältigen. Solange es Schnee blieb war es mit etwas Übung problemlos und machte sogar Spass, immer schneller mit dem Rennrad und profillosen Reifen abzufahren. In einem Waldstück änderte sich dies jäh. Blankeis bedeckte die Strasse. Ab und zu konnte man am Rand noch fahren, stellenweise war Schieben angesagt. Bei mir mehr als bei Lothi, der auch einige Eisplatten fahrend überrollte.
Mehr plötzlich als langsam war die Strasse dann Eis- und Schneefrei. Wir nahmen wieder Fahrt auf und genossen die zunehmende, nachmittägliche Sonne und den wiedererlangten Asphalt.
Es folgte ein wunderschöner Streckenteil über eine schöne Hangstrasse nach Pontremoli. Von dort mieden wir so weit es ging die Via Aurellia und erreichten nach 7 Stunden Tour, davon 6 Stunden Fahrzeit wieder unser Hotel.
Beim Essen waren wir uns einig, dass es eine besondere Tour mit ordentlich Abenteuer-Charakter war. Ebenso einig waren wir uns aber auch dabei, dass wir am nächsten Tag unter der Schneegrenze bleiben würden.
Später gingen wir noch in den oberen Teil des Dorfes und staunten nicht schlecht, als wir uns auf einem kleinen, leider wenig belebten Weihnachtsmarkt wiederfanden.
Die zweite Tour
Am nächsten Tag blieben wir in direkte Meernähe. Am Morgen war es auch noch kalt, in der Sonne wurde es aber schnell angenehm. Über Lerici und Montemarcello fuhren wir uns warm. Unten am Meer beschlossen wir, dass heute ein fauler Tag sei und gönnten uns in einem Restaurant direkt am Strand ein ordentliches Mittagessen.
Weiter ging es am Meer entlang und später hoch nach Massa, weiter nach Carrara und über Sarzana zurück nach Vezzano Ligure. Da wir stets auf der Südseite blieben war es ein wunderschöner, sonniger Tag.
Wir liessen den Abend wieder im Dorf ausklingen und fanden es ein wenig schade, dass wir am Folgetag bereits wieder abreisen mussten.
Immerhin war die Rückfahrt dann schneefrei und auch ansonsten unproblematisch.
Hinter uns lag ein kurzes aber erlebnisreiches Wochenende, an das wir immer mal wieder zurück denken.
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