| von | | 0 Kommentare

Mein persönliches Tour de France Fazit

So, jetzt ist sie Geschichte, die Tour de France 2016. Zeit für Analysen, Rückblicke und ein kleines Round-up.

Gesamtwertung, was soll man dazu sagen? Sky ist als Team mehr oder weniger einzig und allein auf die Tour ausgerichtet. Da gabs keinen Sprinter, den man irgendwie 200 Meter vor der Ziellinie abliefern musste, da gabs keinen Etappenjäger, und da gabs auch niemanden, den man einfach nur so mal in einer Ausreißergruppe platzieren wollte. Wenn man dann mal einen Henao in einer Gruppe hatte, dann war von Anfang an klar, dass der als Andockstation dienen sollte für den späteren Rennverlauf. Denn jemanden von vorne zurückpfeifen ist ungleich leichter, als jemanden von hinten nach vorne holen. Und bei Sky werden die Jungs wohl auch so gut entlohnt, dass ein Poels, ein Thomas, ein Henao, ein Landa oder ein Nieve ihre eigenen Ambitionen zurückstecken. Gut, Wout Poels hat heuer in Ans die Doyenne gewonnen, also hat er sich da austoben dürfen. Aber alles in Allem muss man schon sagen, Sky hat ein Team zusammengestellt, das nur auf Froome ausgerichtet war, und sie haben das richtig gut gemacht. Für die Angriffe hätten andere sorgen müssen, das kann nicht die Schuld von Sky sein.

Schön fand ich es auf jeden Fall, dass Froome selbst am letzten Tag die Bierchen zur Feier des Tages beim Mannschaftswagen abgeholt und zu seinen Kollegen gebracht hat, es war sozusagen ein Einsatz als Wasserträger zum Dank.

Tour-de-france-bern-2016-Chris-FroomeWeil wir grad bei den Mannschaften sind: Movistar konnte sich wieder mal nicht ganz zwischen Quintana und Valverde entscheiden, denn wenn sich der alternde Spanier wirklich zu 100% in den Dienst seines Kollegen gestellt hätte, wäre er nicht so weit vorne gelandet. Was mit Quintana los war, werden wohl in nächster Zeit die Ärzte klären, ich könnte hier nur mutmaßen, und das will ich bewusst vermeiden.

Was hat sich Astana dabei gedacht, in der letzten Woche wie das Team des Gesamtführenden zu agieren? Ist es wirklich der Königsweg, sich den ganzen Tag vors Peloton zu spannen, damit sich Sky ausruhen kann und dann den Angriff zu starten? Unabhängig davon, dass Fabio Aru nicht gut genug war, die Angriffe durchzuziehen, aber das war doch arg unsinnig, oder? Sicher, Aru wollte nur ein wenig weiter nach vorne, Froome hätte er sowieso nicht angreifen können. Aber trotzdem, das war aus meiner Sicht überaus eigenartig. Aber möglicherweise ist es auch dem Selbstverständnis dieser Mannschaft geschuldet, dass man immer mit ganz dicker Hose auftritt.

Was gibt’s zu Tinkoff zu sagen? Naja, Contador hatte Pech, erst die Stürze, dann das Fieber. Wie alle gesagt haben, er hat gefehlt. Er ist einer der angriffslustigeren Fahrer, der manchmal auch rausprescht, wenn es möglicherweise ein wenig unvernünftig ist, das ist gut fürs Spektakel. Aber wenn’s nicht geht, geht’s nicht, ich hoffe, er wird wieder zur Vuelta. Aber sie haben dann trotzdem noch das Optimum herausgeholt, ich meine, dass die Ausbeute mit grünem Trikot, Bergrikot, Platz 10 in der Gesamtwertung und 3 Etappensiegen und dem kämpferischsten Fahrer der ganzen Tour eine ganz ganz tolle ist. Chapeau.

Und nun greife ich ein paar Fahrer heraus, die ich persönlich bemerkenswert fand.

Rui Costa hat sich abgemüht, war unglaublich viel in den Fluchtgruppen und blieb dabei unbelohnt. Aber der Ex-Weltmeister hat genau das gemacht, was man von ihm erwarten konnte. Für ihn eine gute Tour und dank Meintjes auch eine gute Tour fürs Team.
Jarlinson Pantano hat in den Alpen unglaublich viel Spaß gemacht. Er hat der scheidenden IAM Crew den ersten Tour-Etappensieg geschenkt, er war auch viel auf der Flucht und hat die Mannschaft sehr gut repräsentiert. An ihm lags sicher nicht, dass sich kein Co-Sponsor finden konnte.
Romain Bardet hat die Franzosen erlöst, er hat ihnen einerseits den heißersehnten Etappensieg geschenkt, andererseits landete er auf Platz zwei hinter Froome. Sehr gute Tour, alles richtig gemacht.

Mark Cavendish hat eine richtige Auferstehung hinter sich, keiner hat mit ihm gerechnet, er war sozusagen schon der Totgesagte unter den Sprintern. Und dann erobert er Gelb und gewinnt 4 Etappen. Sehr schön, war ihm richtig zu gönnen.

tour-de-france-2016-saganMein ganz persönlicher Held ist aber ein anderer: Peter Sagan. Der aktuelle Weltmeister ist für mich der Man of the race. Drei Etappensiege sprechen eine deutliche Sprache, das grüne Trikot in einer Überlegenheit gewonnen, wie sie Ihresgleichen sucht. Er wurde auch zum kämpferischsten Fahrer der Tour gewählt, und das nicht umsonst. Denn gefühlt war er jeden zweiten Tag in der Gruppe des Tages, er hat trotz seiner tollen Ergebnisse auch immer versucht, die Punkte aus den Zwischensprints mitzunehmen. Und er, der Superstar, der Weltmeister, der Entertainer, er war sich auch nicht zu schade, in den Gruppen für seine Kollegen Kreuziger und Majka zu arbeiten. Und was dann noch das Tüpfelchen auf dem I ist, er hat eine so enorme Rennintelligenz, dass ich nur noch staunen kann. Die 19. Etappe war es, er hatte Majka in der Gruppe geholfen, ließ sich dann in der vorletzten Steigung von seinen Begleitern abhängen und was macht der gute Peter dann? Er teilt sich das Rennen genau so ein, dass er auf der Passhöhe vom Peloton eingeholt wird. Der Mann weiß einfach, was er tut. Und als wäre das noch nicht genug, erreicht er an einem Tag mit 26 Minuten Rückstand das Ziel, zeigt aber seinen zahlreichen Fans bei der Querung der Ziellinie noch einen seiner Wheelies.

Solche Männer braucht der Radsport, einer, zu dem jeder eine Meinung hat. Viele mögen ihn, viele mögen ihn nicht, aber jeder macht sich zu ihm Gedanken. Und auch seine Aussagen bezüglich Stürze zeigen, der Mann hat etwas im Kopf. Es wäre schön, wenn es wieder so etwas wie einen unbestrittenen Chef im Peloton gäbe. Und ich glaube, Peter Sagan wäre ein Kandidat für dieses Amt.

Ein paar abschließende Worte noch: Die Ventoux-Etappe hat gezeigt, dass die Tour schon fast ein wenig zu groß wird. Ich meine, es ist ein Radrennen, die Protagonisten sind die Radfahrer, und wenn sie ihrem Job nicht mehr richtig nachgehen können, weil zu viele Zuschauer rund herum sind, dann wird’s haarig. Hier hat die Organisation nicht sauber gearbeitet, das muss man ganz klar so sagen. Auch wenn das Etappenziel kurzfristig runterverlegt wurde, die Sicherheit der Fahrer muss gewährleistet werden.

Die Tour muss aufpassen, dass sie nicht an ihrer eigenen Größe erstickt.

Der Tour de France Start 2017 in Düsseldorf wird für die deutschen Radsportfans ein besonderes Ereignis werden.

Ein Beitrag von:
Alexander Trauner
Gemütlicher Österreicher, aufgewachsen in der rauhen Gegend am Fuße der Großglockner Hochalpenstraße, wohnhaft in Salzburg. Früher nur Passivsportler, dann 2008 dank großer Klappe zum Radfahren gestoßen, 2009 mein erstes Rennrad gekauft und seither gerne im gemäßigten Tempo in der Gegend unterwegs.
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert