Venter Tal. Ötztaler Radmarathon.
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SuperGiroDolomiti vs. Ötztaler Radmarathon – Ein Vergleich

Der Sommer 2015 geht als Rekordsommer in die Geschichtsbücher ein. Auch in meine persönlichen, denn noch nie zuvor bin ich zwei so schwere Radmarathons, wie den SuperGiroDolomiti in Lienz (Osttirol) und den Ötztaler Radmarathon in einem Jahr gefahren. Bei beiden Rennen habe ich zwischendurch gefragt, warum ich überhaupt hier Rennrad fahre. Beide Male war es wegen des Wetters, das jedoch unterschiedlicher nicht hätte sein können: kalter Regen beim SuperGiroDolomiti und heißes Kaiserwetter beim Ötztaler Radmarathon. Doch der Reihe nach.

Die Fakten

Der Ötztaler Radmarathon ist wohl allen etwas rennaffinen Rennradfahrern ein Begriff und hat mittlerweile 35 Auflagen erlebt. Offiziell 238 km und 5500 Hm, inoffiziell 228 km und 5100 Hm, gilt es als Runde um die Stubaier Alpen mit Start und Ziel in Sölden zu bewältigen. Die Höhendifferenz ist verteilt auf vier unterschiedliche Pässe: das unrhythmische Kühtai, den flachen Brenner, den gleichmäßigen Jaufenpass und das ewig lange Timmelsjoch. Die letzten Körner zieht dann ein Gegenanstieg in der Abfahrt vom Timmelsjoch nach Sölden.

Der SuperGiroDolomiti erlebte 2014 seine erste Austragung im Rahmen der 27. Dolomitenradrundfahrt mit Start und Ziel in Lienz. Die Strecke gleicht einer Acht, die 232 km und 5234 Hm aufweist und eine Erweiterung der klassischen Runde rund um die Lienzer Dolomiten in die Karawanken darstellt. Nicht weniger als sechs Pässe sind zu überwinden: der kehrenreiche Gailbergsattel, der desolate Plöckenpass, die unterschätze Forcella di Lius, der schmale Lanzenpass, das rhythmische Nassfeld und der wellige Kartitscher Sattel als Abschluss des Lesachtales. Wie beim Ötztaler Radmarathon wartet auch hier auf dem letzten Abschnitt zurück ins Ziel ein Gegenanstieg: nach der Abfahrt vom Kartitscher Sattel nach Tassenbach im Pustertal folgt eine Welle, die als Heisinger Höhe bekannt ist und vor den letzten flachen Kilometern nochmals einige Kraftreserven fordert.

Die Vorbereitung

Abfahrt vom Kartitscher SattelMeine persönliche Vorbereitung auf die beiden Rennen hätte unterschiedlicher kaum sein können. Zehn Tage vor dem SuperGiroDolomiti ging es als Charityfahrt von Wien nach Klagenfurt und am Mittwoch und Donnerstag vorher konnte ich noch die Strecke in zwei Etappen bei einer von mir initiierten Rennradreise gemeinsam mit einigen SuperHeroDolomitis mit dem Rad abfahren. Am Freitag wurde Mittagessen am Luckner Haus ausgerufen und am Samstag stand nur eine kurze Einrollrunde auf dem Plan. Das alles an den ersten heißen Tagen des beginnenden Sommers. Vor dem Ötztaler Radmarathon hingegen war nach einigen intensiven Einheiten im Mühlviertel viel Ruhe und lockeres Fahren angesagt. In Sölden selbst reichte es am Freitag und Samstag zu zwei kurzen Runden und einem Auskosten des Panoramas mit Gondelunterstützung. Wiederum bei Temperaturen jenseits der dreißig Gradmarke.

Die Renntaktik

Auch die Taktik während der Rennen hatte zwei unterschiedliche Ansätze. Beim SuperGiroDolomiti wollte ich mit Lorraine fahren und sie, so gut es geht, mit Windschatten und Wasser holen unterstützen, da sie im kleinen Starterfeld von nur rund 500 Personen sonst möglicherweise auf sich allein gestellt, um eine gute Position in der Damenwertung kämpfen müsste. Ein Rennen als Edeldomestike quasi. Beim Ötztaler Radmarathon wollte ich meine Zeit von 8.12 h aus 2014 verbessern – wenn irgendwie möglich auf unter 8h. Eine Ansage an mich selbst, die hart am Limit oder sogar darüber liegt.

Die Wetterprognose

Nach Tagen der Hitze sollte beim SuperGiroDolomiti die ersehnte Abkühlung in Form von einigen Gewitter am Nachmittag kommen. Die Abkühlung kam auch, jedoch etwas ausgiebiger als gedacht. Beim Ötztaler Radmarathon war nach kühlem, angenehmem Radwetter 2014 für heuer Hitze prognostiziert, ohne Wolken am Himmel. Auch diese Prognose ging auf, noch heißer als erhofft.

Die Rennen

Der SuperGiroDolomiti

Am Sonntag, 13. Juni 2015 um 6.30 Uhr erfolgt der Start zum SuperGiroDolomiti bei angenehmen Temperaturen und in den ersten Sonnenstrahlen. Das Anfangstempo ist hoch und der Anstieg zum Gailbergsattel wird schnell – von einigen wohl zu schnell – genommen. Nach der kurzen Abfahrt nach Kötschach-Mauthen folgt der steilere Plöckenpass mit seinem völlig desolaten Fahrbahnbelag. Das Feld ist schon gut selektiert und das Tempo weiterhin hoch. Die Abfahrt nach Paluzza lässt Fahrspaß aufkommen und schnell sammeln Lorraine und ich einige vor uns fahrende ein. Ab dem Flachstück durch Timau führe ich die Gruppe an und versuche nicht nachzulassen. Im Anstieg zur Forcella di Lius bröckelt die Gruppe schnell wieder auseinander und weiter oben hole ich erstmals Getränkenachschub. Bis zum höchsten Punkt kann ich fast wieder zu Lorraine aufschließen und nach der Abfahrt geht es zügig durch Paularo.
Am Lanzenpass. SuperGiroDolomiti.Es folgen die ersten steilen Rampen des Lanzenpasses (ital. Passo Cason di Lanza) auf schmaler Straße. Rund um uns verdunkelt sich langsam aber sicher der Himmel. Nach der Zwischenabfahrt geht es steil über Almwiesen hinauf. Ein bekannter Radler, Roland E., schließt zu uns auf und bleibt bei uns. Es beginnt binnen weniger Minuten aus Kübeln zu schütten und die Stimmung lässt einen die Tageszeit eher auf kurz vor Sonnenuntergang als zehn Uhr vormittags einordnen. Wir sind kurz vor dem Lanzenpass und die Temperatur fällt von angenehmen 15°C auf deutlich unter 10°C. Kurzes Getränke nachfassen oben am Pass und hinein in die schmale, steile und kurvenreiche Abfahrt. Die Sicht durch die Brille ist mäßig. In den Kehren klicken einige andere einen Fuß aus und tasten sich herum. Wir machen einige Plätze gut, auch dank Streckenkenntnis, denn diese Abfahrt ist wirklich technisch. Einsam geht es durch Pontebba und erst nach rund zwei Kilometern Anstieg zum Nassfeld (ital. Passo Pramollo) kann ich wieder zu Lorraine aufschließen. Wir finden unseren Rhythms und kurbeln nach oben. Es regnet immer noch stark. Die Abfahrt nach Tröpolach ist teilweise fast ein Blindflug, auf der Straße steht das Wasser und Schlaglöcher sind nicht oder kaum auszumachen. Im Gailtal sind wir vorerst nur zu dritt. Langsam wird unsere Gruppe etwas größer und wir nehmen Tempo auf Richtung Kötschach-Mauthen. Das Spritzwasser von der Straße ist wärmer als die Luft. Mir wird nicht richtig warm, obwohl ich fürs Tempo sorge. Gedanken, doch über den Gailbergsattel direkt nach Lienz zurückzufahren, kommen auf. Die Radlerehre lässt das nicht zu und außerdem sind nach unserem Wissensstand nur drei Damen vor uns, da müsste doch nur eine aufgeben oder zurückfallen…

Die ersten Rampen des Lesachtals lassen die Wärme in den Körper zurückkommen und die Gruppe wieder in ihre Einzelteile zerfallen. Steile Anstiege wechseln mit unübersichtlichen, ebenso steilen Abfahrten auf den ersten der über 40 Kilometer zum Kartitscher Sattel. Bei Untertilliach überholen wir Hannes, der uns mitteilt, dass eine Konkurrentin den kurzen Weg von Kötschach-Mauthen nach Lienz genommen hat und damit nicht mehr im Rennen ist. Die Freude am Radfahren kehrt bei uns zurück und ein in den Trikottaschen wiedergefundenes Snickers lässt diese bei mir noch steigen. Die Abfahrt nach Tassenbach ist kalt und immer noch nass. Völlig durchgefroren geht es über die Heisinger Höhe, das letzte Hindernis auf der Drautal-Bundesstraße am Weg zurück nach Lienz. Schalten ist mit maximalem Kraftaufwand verbunden und dennoch wickeln wir unser Paarzeitfahren über 30 km rasch ab. Im Ziel verkündet Othmar Peer, dass Lorraine die zweite Dame im Ziel ist. Die Helferdienste waren also erfolgreich. Das folgende Aufwärmen dauert einige Zeit und die Kräfte kehren nur langsam zurück. Gefühlt härter als der Ötztaler Radmarathon 2014. Aber auch härter als 2015?

Auch 2016 und 2017 war ich wieder beim SuperGiroDolomiti am Start – die Erfahrung dabei könnt ihr hier nachlesen.

Der Ötztaler Radmarathon

Hinauf ins Kühtai. Ötztaler Radmarathon.Einige Wochen später, am 30. August 2015, am Start des Ötztaler Radmarathons ist es ungewöhnlich warm, zumindest für Söldener Verhältnisse. Das Feld rollt hinaus nach Oetz, langsamer als im Vorjahr. Am Kühtai gebe ich Gas. Die Sonne kommt hinter den Bergspitzen hervor und lässt den schönen Sommertag beginnen. Oben bin ich im Zeitplan, um unter acht Stunden zurück in Sölden zu sein. Die Abfahrt mit Rückenwind bringt Spaß und zwei Mal eine Geschwindigkeit im dreistelligen Bereich. Das folgende Flachstück bis Innsbruck ist schnell bewältigt und die Gruppe kurbelt hinauf zum Brenner, bei Gegenwind. Das war so nicht geplant. Die Temperatur steigt und mittlerweile hat es wohl schon über 20°C. Am Brenner tausche ich meine Flaschen (danke an Arnold von Champions Training) und jage der Gruppe nach. Den Jaufenpass habe ich eigentlich in guter Erinnerung, da mir die gleichmäßige Steigung liegt, aber dieses Mal finde ich irgendwie keinen Rhythmus und kann mein geplantes Tempo nicht einschlagen. Nach oben hin werde ich gefühlt immer langsamer. Auf der Passhöhe liege ich genau gleich auf mit meiner Zeit vom Vorjahr. Die verbliebenen Kräfte und das Timmelsjoch entscheiden also über eine schnellere oder langsamere Zeit als im Vorjahr. In der Abfahrt nach St. Leonhard im Passeier scheinen einige mit der Brechstange verlorene Zeit gutmachen zu wollen – bei vielen Schlaglöchern und Licht-Schatten-Wechseln ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen.

Unten im Tal zeigt der Garmin 35°C. Es geht wieder bergauf und die Muskeln wehren sich erstmals leicht dagegen, wieder für die Fortbewegung des Rades sorgen zu müssen. Entlang der ersten Felsen ist es noch heißer und ich frage mich langsam, was ich hier eigentlich mache. Oberhalb von Moos hängt der Banner „ausgeträumt?“ und ich begrabe langsam aber sicher meinen Traum von unter acht Stunden. Wenige Kilometer weiter sorgt die Bergrettung dafür, dass die leeren Flaschen wieder voll werden. Ein unerwarteter, aber wohltuender Stopp. Bei der Labe in Schönau heißt es schon wieder Getränke nachfassen und dann die letzten flachen Meter vor dem Steilhang gemütlich pedalieren. Die Muskeln wollen nicht mehr und wenige Höhenmeter weiter oben schießen mir Krämpfe ein. Ich muss anhalten und vom Rad. Ich sitze mit krampfendem Oberschenkel an der Felswand, in einem kleinen Schatten, und sehe wie sich einige Radler an mir vorbeiquälen. Irgendwann gibt der innere Schweinehund auf und ich fahre weiter. In einer der Kehren gibt es nochmals Getränke, die ich gerne annehme. Irgendwie schaffe ich es fahrend bis aufs Timmelsjoch ohne weitere Krämpfe zu bekommen. In der Abfahrt werden die Kehren, ob der Muskelanspannung, zum Härtetest. Der folgende Gegenanstieg wirft mich nochmals kurzzeitig vom Rad, da alle Muskelstränge in meinen Oberschenkeln gegen mich zu sein scheinen. Die Maustelle kommt dorch irgendwann näher und ich versuche mich bis Sölden wieder etwas zu erholen, was nur mäßig gelingt. Schließlich erreiche ich in 8.26h das Ziel. Die Labestation ist notwendig und die beanspruchten Muskeln melden sich in der folgenden Woche oft schon bei kleinsten Bewegungen zu Wort. Gefühlt wiederum härter als der SuperGiroDolomiti, am Ende aber aufgrund der so unterschiedlichen äußeren Bedingungen und eigenen Ziele doch nicht vergleichbar. Am besten bildet man sich aber einfach selbst ein Urteil.

Der Ötztaler Radmarathon lässt sich mit Cycling Adventures erleben.

Die Daten

Um ein vollständigeres Bild zu haben noch meine Strava-Aufzeichnungen.

Ein Beitrag von:
Roland Wagner
Bergaffiner Österreicher, der gerne schnell Rad fährt, aber gerne einfach nur genießt - sowohl beim Radeln als auch beim Essen. Am liebsten in den hohen Bergen, aber mit wenig Verkehr. Daher oft auch in der Vor- und Nachsaison unterwegs. Sehr gerne aber auch im heimatlichen Mühlviertel.
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