Platter Fahrradreifen
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Ladies-Special: Die etwas andere Anleitung zum Schlauchwechseln beim Rennrad.

Der Frühling steht vor der Tür, und die ersten Ausfahrten ohne Windjacke und Beinlinge rücken in erfreuliche Nähe. Der Drang steigt, endlich wieder einmal einen vollen Tag lang in der Gegend herumzukurven. Und damit auch das Risiko einer Reifenpanne im Hinterland von Nirgendwo.

Das Problem bei einem Platten

Ein Platten ist weiter kein Problem, solange man sich in Gesellschaft tüchtiger Begleiter befindet, die den Schlauch im Handumdrehen wechseln. Doch die Zeiten, in denen wir uns damit zufrieden gaben, am Sonntag im Windschatten des Herzallerliebsten um den See zu radeln, sind zwar nicht vorbei, aber nicht das Ding sportlich ambitionierter Rennradfahrerinnen. Nur leider hat die Fähigkeit zum Schlauchwechseln nicht mit der restlichen Emanzipation Schritt gehalten. Natürlich können wir einen Schlauch wechseln. Es dauert bloss lange. Sehr lange. Zumindest bei mir. Und ich weiss aus sicherer Quelle, dass ich damit nicht alleine bin. Was also tun im Fall eines Plattens allein auf weiter Flur? Denn die Frage ist nicht, ob das jemals passiert, sondern wann.

Die ultimative Lösung

Hier folgt deshalb die ultimative und erprobte Anleitung zum Schlauchwechseln für Frauen:

  1. Schau dich am Ort des Unglücks um. Ist ein Bahnhof in der Nähe? Dann nimm den nächsten Zug nach Hause.
  2. Wenn du für alle Zeiten zum Gespött werden willst, ruf jemanden an und lass dich abholen. Wenn du ein Minimum an Selbstrespekt verspürst: Weiter zu Punkt 3.
  3. Such eine brauchbare Youtube-Anleitung zum Schlauchwechseln auf deinem Handy. Platzier das Gerät unauffällig irgendwo, wo es nicht gleich jeder sieht.
  4. Tu, was der Mann in dem Video (es ist mit hundertprozentiger Sicherheit ein Mann) dir sagt. Wenn dir das gelingt: Gratuliere. Radle stolz und glücklich heim. Für die restlichen 99%: Weiter zu Punkt 5.
  5. Versuche es nochmals. Und nochmals. Und nochmals.
  6. Wenn Rennradfahrer vorbeifahren, nicke ihnen entspannt zu und lass dir nicht anmerken, wie lange du schon dort stehst. Stell das Video auf lautlos. Man hat schliesslich seinen Stolz.
  7. Gibt nicht auf. Wenn du es schaffst, das letzte fiese Stück Reifen auf die Felge zu kriegen, ohne dass er an einer anderen Stelle wieder herausploppt: Gratuliere. Pumpe auf und fahre müde, aber glücklich heim. Für die restlichen 98%: Weiter zu Punkt 8.
  8. Vergiss deinen Stolz. Schnapp dir den nächsten, der vorbeifährt. Es darf sogar ein E-Bike- oder Traktorfahrer sein. Hauptsache ein Mann.
  9. Trag mit Fassung, dass er in zwei Minuten schafft, woran du dich eine halbe Stunde erfolglos abgemüht hast.
  10. Schau gut zu und versuch dir zu merken, was er in welcher Reihenfolge tut, bis das Rad wieder sauber ausgerichtet und aufgepumpt am Velo hängt.
  11. Fahre müde und desillusioniert über deine Fähigkeiten, aber dennoch glücklich und erleichtert heim.

Das Danach

Nimm dir vor, das Ganze daheim zu üben. Damit so etwas nicht wieder passiert. Schau dir zur Festigung deines Wissens den Anfang des Youtube-Videos noch mal an. Gestehe dir nach zwei Minuten ein, dass du null Interesse dafür aufbringst.

Klick stattdessen auf die Werbung für den Bikeshop, die aufploppt. Für den Fall einer weiteren Panne solltest du unbedingt eine neue Windweste dabei haben, falls dir beim Warten auf den Retter kalt werden sollte. Stöbere in sämtlichen dir bekannten Shops, bestell eine Weste und wegen der ohnehin anfallenden Portokosten gleich noch ein Trikot dazu. Vergiss nicht, einen neuen Schlauch in den Warenkorb zu legen.

Geh schlafen, träum von deiner nächsten Frühlingsfahrt mit den neuen Trikot und fühl dich sicher aufgehoben in der Gesellschaft von uns anderen Rennradfahrerinnen, die in ständigem Kampf mit der Technik stehen. Ein ungleicher Kampf, den wir deswegen aber noch lange nicht aufgeben. Auch wenn unsere Position zugegebenermassen ziemlich hoffnungslos ist. Aber dafür gibt es Youtube. Und Bahnhöfe. Und wenn alles nicht mehr greift, letztendlich auch noch Männer.

Ein Beitrag von:
Barbara Moosmann
Beheimatet im Berner Seeland. Viel unterwegs zwischen Seen, Bergen und den Bäckereien auf der Strecke, meist in der Schweiz und im angrenzenden Ausland. 2015 die Liebe zum Rennradsport entdeckt, seither jedes Jahr eine merkliche Steigerung der Besessenheit (und des Könnens).
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