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Saisonstart an der Côte d’Azur

Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden – dieses Jahr an der Côte d‘Azur. Nächstes Jahr bieten wir hier zwei geführte Rennrad Reisen an. Bei einer Standortreise ist etwas mehr Regionalkompetenz gefragt als bei einer Rundreise. Lässt sich die Regionalkompetenz bei einer Alpentour noch einigermassen übers Internet erarbeiten, ist dies im Hügelgebiet und Mittelgebirge fast nicht möglich. Das Nützliche daher: die Gegend, die Strassen, den Verkehr, das Wetter kennenlernen, das Angenehme: im Süden – hoffentlich bei sonnigem Wetter – in die Saison starten.
  

Samstag, 20.02.16, Anreise in die Côte drennrad_fruehling_cotedazur_27‘Azur

Die Woche vor einem Urlaub bedeutet viel Arbeit, zumal wir am Freitag noch unsere Website aufgeschaltet haben. Es wird also spät und daher der Plan verworfen, bereits um 5 Uhr loszufahren. Start daher 1,5 Stunden später, die Fahrt verläuft planmässig, kurz vor Savona esse ich etwas Kleines, das Wetter ist ein Traum und es ist sehr warm. Beim Essen plane ich die Tour die ich heute noch fahren möchte. Um 14 Uhr könnte ich in Vence sein, also noch knappe 4 Stunden Rad fahren. Wieder auf der Autobahn zerschlägt sich auch dieser Plan. Baustelle, 8km Stau, 1,5 Stunden mehr Stop als Go. Der Rechner liegt auf dem Beifahrersitz und während den Stop-Phasen wird die Planung den Gegebenheiten angepasst. Bereits meine letzte Reise an die Côte d‘Azur war zwischen Genua und Nizza nervig. Von diesem Urlaub weiss ich aber, dass sich diese Strapazen lohnen und ein paar tolle Rennradtouren auf mich warten. Kurz vor 4 bin ich beim Hotel, kurz Zimmer beziehen und ab aufs Rad. Von Vence fahre ich nach Grasse und nach wenigen Minuten ist die Anreise vergessen, das Licht zu dieser späten Nachmittagsstunde ist traumhaft und logischerweise vertrödle ich viel zu viel Zeit mit Fotostopps und hier und da noch ein paar Abzweigungen erkunden. In Grasse will ich über eine kleine Strasse hoch nach Cabris, noch mal verfahren und sowieso, sich in diesem Strassengewusel und den ganzen Einbahnstrassen zu orientieren ist gar nicht so einfach. Die Strasse ist herrlich, jedoch ist schon längst klar dass für Fotostopps keine Zeit mehr bleibt, gnadenlos senkt sich die Sonne. Ich schliesse den Kreis über eine schnelle Abfahrt nach Grasse, noch eine halbe Stunde bis Sonnenuntergang. Den Track kann ich längst vergessen, jetzt geht es nach Gefühl auf möglichst schnellen Weg zurück nach Vence. Das gibt dann so eine Mischung zwischen schnellem Kartenstudium auf dem Garmin und der Nase lang. Die Nase funktioniert ganz ordentlich, zeigt aber auch zwei, drei Mal in die falsche Richtung. Da verliere ich jedesmal ein paar Minuten. Es ist extrem schwierig, sich in dieser Hügelzone zu orientieren und abzuschätzen, welcher Weg – mit dem Rad – am schnellsten ist. rennrad_fruehling_cotedazur_28Mittlerweile zeigt der bei mir nicht vorhandene Leistungsmesser 90% an. Man kann auf diesen Strassen richtig schnell fahren und eine Abzweigung nach La Colle-sur-Loup huscht vorbei, ein Blick auf das Garmin offenbart, dass ich die hätte nehmen sollen, aber ich fahre gerade so schnell und entscheide mich dass ich den Umweg in Kauf nehme weil ich das Gefühl habe, über die schnelle, breite Strasse nicht viel Zeit zu verlieren. Ein Fehler, der mich dann noch eine Viertelstunde Rückfahrt bei Dunkelheit kostet, denn ich mache nicht nur einige Kilometer Umweg sonder verliere auch viel Höhe. Ich nerve mich über mich. Aber dann müssen halt die Beine diesen Lapsus auskorrigieren. Nach La-Colle-sur-Loup geht es nochmals bergab, durch ein Tals das sich „Le Loup“ in die Hügel gegraben hat. Ich weiss nicht was vorherrscht: die Freude über diese tolle Abfahrt, so nahe an Nizza und trotzdem denkt man, dass man irgendwo in den Bergen ist, einsam, kurvenreich, trotzdem schnell; oder die Bange dass der Höhenmesser am Ende der Abfahrt 5 Meter über Meer anzeigt, es bereits dunkel ist und Vence auf 300 Metern liegt. Endlich ist Vence ausgeschildert, 7km sind es noch. Glücklicherweise ist die Strasse grösstenteils gut ausgeleuchtet, so dass es trotz Einbruch der Dunkelheit recht unproblematisch ist und ich gut am Hotel ankomme wo sie schon etwas besorgt sind. Aber die Beine haben an diesem Anreisetag doch schon deutlich mehr leisten müssen als mir lieb ist. Aber man soll ja Impulse setzen …

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Sonntag, 21.02.16, an die Côte d‘Azur

Der morgendliche Blick aus dem Fenster bringt Jubilierstimmung. Trarennrad_fruehling_cotedazur_29umwetter, warm. Ich kenne das faszinierende, bergige Hinterland vom letzten Urlaub und es ist ein innerlicher Kampf, heute nicht in die Berge zu fahren sondern am geplanten Programm festzuhalten und die Küstenzone zu erkunden. Lieber würde ich heute über einen schönen Pass fahren. Die Küstenzone ist besiedelt und nach ein paar Kilometern dem Meer entlang wird es mir meist schon etwas langweilig. Aber das muss jetzt sein, es wird wichtig sein, gerade diese Zone etwas besser zu kennen. Die Touren ins Hinterland sind viel einfacher zu planen – immerhin, Planung Ende Februar draussen auf dem Balkon, das ist Luxus. Ich will weit fahren und trotzdem recht früh zurück sein. Heute Abend reist Barbara mit dem Zug bis nach San Remo, dort wollen wir noch essen gehen und ich muss pünktlich dort sein damit alles reibungslos abläuft da ihr Zug erst um 21 Uhr ankommt.

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Heute schaffe ich es sogar, mich relativ sklavisch an den Track zu halten. So führt mich der Garmin durch eine schier endlos erscheinende Hügellandschaft, entlang einem Stausee, schöne Dörfer, kleine & einsame Strassen, grosse & hässliche Strassen bis an die Küste nach Mandelieu. Hier ist ein riesen Volksauflauf durch den ich mich durchwuseln muss, und schon wieder sehne ich mich danach, der Küste Lebewohl zu sagen und in die einsame, endlose Hügellandschaft zu verduften.
Aber der Track wird eingehalten und so folgen 35 Küstenkilometer. Entlang kilometerlangem Sandstrand, durch Cannes, völlig versnobbt und eigentlich total hässlich, dann durch das deutlich sympathischere Golfe-Juan, um das schöne Cap d‘Antibes, durch Antibes wieder rein in die Hügel.
Ich fahre nochmals – wie gestern – durch das Tal des „Le Loup“, heute bei Tageslicht, jetzt schon eine meiner Lieblingsstrassen. Es stellt sich heraus dass das, was ich als Schleichweg zurück nach Vence eingeplant habe, der logische Weg ist den ich gestern schon gefahren bin. Also wage ich mich erstmals heute, den Track zu verlassen und einen richtigen Schleichweg auszuprobieren. und werde mit einer ganz dreckigen 18% Rampe bestraft. Die tut jetzt echt weh, seit dem Start habe ich nur mal eine kurze Pinkelpause gemacht und ein Halbliterfläschchen Wasser zu mir genommen, sonst durchgefahren. Was solls, das sind die berühmten Trainingsreize.
Zur angepeilten Zeit bin ich zurück im Hotel, der Tag war sehr schon und noch aufschlussreicher. Rechtzeitig mache ich mich auf den Weg nach San Remo und hole Barbara ab. Der Erstkontakt mit der französischen Küche gestern Abend war doch sehr ernüchternd, also gönnen wir uns in San Remo noch eine richtige Pizza mit richtigem Mozzarella. Um 1 Uhr Nachts sind wir zurück und ein langer, erlebnisreicher Tag neigt sich dem Ende zu.

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Montag, 22.02.16, kalt geduscht

Es ist mein zweiter Rennrad Urlaub hier, bisher habe ich noch keine einzige Wolke am Himmel gesehen. Barbara habe ich viel vorgeschwärmt, über die tollen Strassen, die angenehmen Anstiege und vor allem über die imposante Landschaft. Das möchte ich hier heute zeigen. Leider ist ausgerechnet für heute Regen angesagt.
Wir lassen uns nicht ins Bockshorn jagen und machen uns trotzdem – bei noch angenehmen Temperaturen und trockenen Bedingungen – auf Richtung Hinterland. Der beste Weg dorthin führt durch die George du Loup. Bereits der Weg dorthin ist schön, und die Schlucht ist auch bei Bewölkung imposant und hinterlässt die gewünschte Wirkung. Aus der Schlucht fahren wir über Cipières nach Gréolières. Bis hier ist alles gut, aber jetzt fängt es richtig an zu regnen. Das war irgendwie auch zu erwarten und wir kennen das aus Ligurien ja zur Genüge. Bei einer Schlechtwetterprognose lässt sich an der Küste noch gut und oftmals trocken fahren, in den Bergen hängt die Sosse drin. Aber das mussten wir nun einfach mal am eigenen Leib erfahren haben um die Situation einschätzen zu können. Also ziehen wir die Planung durch und fahren durch das Tal des „Le Loup“ bis auf den Col de la Sine. und ja, wir erfahren es jetzt am eigenen Leib. 3,8°C und ziemlich starker Regen, die Räder pflügen sich nur noch durch Pfützen und Schneereste am Strassenrand verdeutlichen das Klimagefälle von Küste zu den Bergen. Augen zu und durch, nicht denken, nicht hadern, stur pedalieren und den Bock vorwärts treiben. Landschaftlich wäre es hier schön, aber wir sind grad nicht so im Genussmodus.
Aber so schnell wie es unangenehm wurde, so schnell bessert sich die Lage durch den Umstand, dass wir direkt auf die Küste zufahren und in wärmer und trockenere Luftmassen gelangen.
So lassen wir uns am Abzweig zum eingeplanten Col de l‘Ècre sogar noch dazu hinreissen, den Umweg über Grasse zu machen. Dazu geht es zuerst aber mal ein ganzes Stück bergab, durchnässt wie wir sind, kühlt das ganz schön aus. Zu allem Überfluss fängt sich Barbara auch noch einen Platten ein, der mit klammen Händen nicht so einfach zu flicken ist. Jetzt ist uns richtig kalt, aber es geht noch weiter bergab. Endlich in Grasse angekommen, erledigen wir das Sightseeing mit ein, zwei Blicken. Kräftige Tritte bringen uns schnell Richtung Vence und auch etwas Wärme zurück in den Körper, so dass die letzten Kilomneter noch angenehm werden. Eine heisse Dusche lassen wir uns heute trotzdem nicht entgehen.
Die frühe Rückkehr von der Tour bringt uns die Möglichkeit, das schöne Städtchen Vence etwas genauer anzusehen und einen Italiener zu suchen, der Pizza mit Mozzarella zubereitet.

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Dienstag, 23.02.16, Königsetappe ins Hinterland

Für heute ist eine gute Wetterprognose angesagt und es soll jetzt klappen. Ich will das traumhafte Hinterland bei Sonnenschein vorführen. Leise Enttäuschung macht sich breit also doch einiges an Wolken und Wasserdampf in der Atmosphäre hängt. Nach dem reichhaltigen Frühstück und etwas Radpflege machen wir uns aber wie geplant auf den Weg Richtung Col de Vence. Die tollen Ausblicke bleiben uns aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit versperrt und bei mir macht sich ein schlechtes Gefühl breit dass die gute Prognose nur für Nizza gelten könnte und im Hinterland deutlich schlechteres Wetter zu erwarten ist. Doch im oberen Drittel des richtig schönen Passes wendet sich das Blatt. Die hohe Luftfeuchtigkeit hängt an der Küste, die Sonne beginnt durchzudrücken und je weiter wir uns von der Küste entfernen, umso schöner wird es.
Es folgt die unglaublich schöne Strecke von Bouyon nach Roquestron mit Traumblicken auf das Tal des Estéron. In Roquestron der klägliche Versuch, mit einem Einkauf bei Bäckerei und Supermarkt ein einigermassen gutes Mittagsessen zu gestalten (legendär schlechte Pizzastücke).
Danach fahren wir noch einen Stich ins Tal des Estéron um den tollen Canyon Clue de l‘Aiglun zu bewundern. Neben der atemberaubenden Landschaft ist das Klima hier faszinierend. nachdem das Landschaftsbild bei dem Colle de Vence sehr steinig, karg und lebensfeindlich erschien, befinden wir hier wieder in ganz mediterraner Vegetation mit Olivenbäumen und Agaven.
Nach der Clue de l‘Aiglun fahren wir das ganze Estéron-Tal hinaus und fahren noch einen kleinen Anstieg nach Bonson um die tolle Abfahrt ins Vars-Tal mitzunehmen.
Der einzige Strasse, die ich heute auskundschaften will, landet in einer Art Chemie Deponie wo weiss gekleidete Männer Erdreich entsorgen. Das sind auch Erkenntnisse …
Die letzten 25km aus dem Vars-Tal sind die erwarteten Kaugummi-Kilometer. Müde, ein falso piano, es rollt überhaupt nicht. Glücklicherweise gesellt sich noch ein älterer Rennradfahrer zu uns und quatscht uns bis nach Vence. Er hat bereits 3‘600 Jahreskilometer, Beweis genug dass es sich hier um ein Ganzjahresreier handelt …

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Mittwoch, 24.02.16, Abreisetag

Leider heisst es heute schon wieder Abschied zu nehmen. Um das Maximum rauszuquetschen, haben wir die Abreise auf den Nachmittag verschoben, so dass noch 60km drin liegen. Bei mir werden es in den 5 Tagen inkl. An- und Abreisetag 520km werden. Das ist Luxus und übertrifft meine Erwartungen.
Wir packen zusammen, frühstücken und fahren mit dem Auto bis Carros. Und verlieren schon mal mächtig Zeit weil ich planlos aus Vence rumgurke und in Carros in einer Industriezone lande bei dem Versuch, das Auto an einem gescheiten Ort zu parken. Das ist aber auch ein Labyrinth in diesen Hügeln drin.
Trotzdem starten wir in der geplanten Zeit, wechseln das Ufer der Var und klettern in die „Collines niçoises“ rein. Herrlich, sonnig, die Hügel sind mit Olivenbäumen bewachsen, man glaubt sich in dem uns gut bekannten Ligurien. So fahren wir hin und geniessen die letzte Tour, die bereits kräftige Sonne und das Mittelmeerklima. Ich liebe diese ersten Tage der Saison im Süden.
Nach Levens wechselt sich die Szenerie dramatisch. Nach den lieblichen, warmen Hügeln sind wir unvermittelt in der Schlucht der Vésubie. Die Temperatur sinkt gerade um einige Grad, im Hintergrund erkennt man di verschneiten Berggipfel der Seealpen und die Vésubie brodelt huntere Meter unter einem. Man wähnt sich im Hochgebirge. Das ist gewaltig.
Während wir beeindruckt dahinrollen und die Landschaft bewundern überholen uns vier sportliche Rennradfahrer. Ein Teil von Team Sky mit Begleitfahrzeug auf Trainingsfahrt. Es geht wieder leicht bergauf und sie sind ehrlich gesagt recht gemütlich unterwegs. Viel zu lange tendle ich noch rum um mich dann zu entschliessen, nochmal zu ihnen aufzuschliessen. Dazu sind sie aber dann doch zu schnell und der Versuch scheitert. Trotzdem witzig – nachdem ich bereits Team Lampre gesehen hatte – zu wissen, dass sich auch die Pros hier ihre Frühform holen.

Wir fahren weiter bis ins Vésubie Tal und fahren noch ein Stück nach Utelle hoch bis uns die Zeitplanung mahnt, umzudrehen. Aber auch die Auffahrt nach Utelle und noch weiter hoch zur Madone d‘Utelle verspricht, wunderschön zu sein. Dieses Projekt sparen wir uns fürs nächste Jahr auf.
Bei steifem Gegenwind fahren wir noch 20km durch Vésubie- und Vars-Tal bis nach Carros, verladen die Räder und fahren nach Imperia. Dort gibt es noch einen kulinarisch gebührenden Abschluss mit Foccaccia diverser Couleur und damit hat ist der Saisonstart leider schon wieder vorbei.

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Fortsetzung folgt …

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Ein Beitrag von:
Lukas Kamber
Italophiler Schweizer. Geboren in einem kleinen Bauerndorf nahe Bern, war das Rad von Kind an ständiger Begleiter zwecks Mobilität. Viel zu spät – dafür umso intensiver – die Liebe zum Rennrad wiederentdeckt und damit das Naturerlebnis in den Bergen. Aktuell sind offroad Entdeckungsfahrten mit dem Gravelbike hoch im Kurs.
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