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Kettenverschleiss

Viele Fragen auf den Rennradreisen betreffen den Kettenverschleiss:

  • Wie lange hält eine Kette
  • Wie oft tauscht man eine Kette
  • Welche Ketten halten am längsten
  • Wie misst man den Kettenverschleiss
  • Was tauscht man alles wenn man die Kette wechselt

Was ist Kettenverschleiss

Zuerst zur Frage, weshalb man denn eine Kette tauschen muss. Die alte Kette läuft doch noch flott?
Der Grund ist jedenfalls nicht, dass die Kette plötzlich reisst. Die Kette wird durch die Kraft, die auf sie wirkt, irreversibel in die Länge gezogen. Da Kettenblätter, Ritzel und Schaltwerksröllchen auf die Länge eines Kettenglieds abgestimmt sind, bedeutet eine Kettenlängung, dass das System nicht mehr rund läuft.

Damit beantworten sich schon einige Fragen:

  • Die Breite der Kette hat keinen Einfluss auf den Verschleiss, daher ist eine schmalere 11fach Kette auch nicht mehr von dem Prozess betroffen als eine 9fach Kette.
  • Je mehr Kraft auf die Kette wirkt, umso stärker wird sie beansprucht und umso stärker der Verschleiss. Kraftvolle, schwerere Fahrer beanspruchen eine Kette mehr als ein Fliegengewicht, steile Anstiege ebenfalls. Daher lässt sich auch keine allgemeingültige Aussage treffen: „Eine Kette hält 5’000 Kilometer“
  • Je schlechter die Kette gepflegt wird, umso stärker wird sie beansprucht. Daher lohnt sich, die Qualität (und folglich den Preis) einer Kette auf den Einsatzzweck des Rades abzustimmen. Eine edle Campagnolo Record Kette an einem Winterrad einzusetzen, ist Geld zum Fenster rausgeschmissen. Bei harten Bedingungen mit Salz, Nässe und schmutziger Strasse lässt sich der Fortschritt der Kettenlängung fast wöchentlich messen, auch wenn die Kette nach jeder Fahrt geputzt und geölt wird.

Wie misst man den Kettenverschleiss

Diese Shimano Kette ist in Ordnung

Diese Shimano Kette ist in Ordnung

Dazu gibt es von verschiedenen Herstellern einfache Werkzeuge. Alle Werkzeuge funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Zwischen einer gewissen Anzahl Kettenglieder wird der Abstand gemessen. Ab einer bestimmten Längung gilt die Kette als verschlissen und sollte getauscht werden. Dies ist logischerweise kein binärer Zustand sondern ein fortschreitender Prozess.

Campagnolo Kette: Auch OK

Campagnolo Kette: Auch OK

Verfügt man über eine Schieblehre, kann man sich den Kauf auch schenken. Auf den Beipackzetteln der Ketten findet man üblicherweise eine Anleitung wie man es macht. Ich stelle meine Schieblehre immer auf 132mm, setze sie in einem Aussenglied an und messe, wie weit ich die Schieblehre nun ausziehen kann (das andere Ende der Schieblehre steckt auch in einem Aussenglied). Liegt der Wert über 132,6mm, gilt die Kette als verschlissen. Diese Messung nehme ich an 3-4 Orten der Kette vor (siehe Bild). Wie man eine Kette wechselt, wird in einem späteren Workshop beschrieben (halt wenn wieder eine Kette fällig ist).
Präzisierung von unserem Technik-Experten Andreas zu meinem Halbwissen:
Zum Verschleißmaß gehört nach meinem Empfinden und zur Orientierung auch immer das Neumaß und das ist für Campa Ketten 132,2mm. Campa lässt auf eine Kettenlänge von 132,2mm also eine planmäßige Längung von 0,4 mm, entsprechend 0,3% zu.
Eine gerade aus der Verpackung entnommene Shimano CN 6701 hat nach dieser Methode bereits 132,35mm und ist damit nur noch 0,25mm oder 0,19% vom Campa Verschleißmaß entfernt.
Für andere als Campa Antriebe hat sich das Verschleißmaß 120,25mm (Alu KB) und 120,5mm (Stahl KB) etabliert. Eine neue Shimano Kette nach diesen Maßstäben gemessen hat neu 119,65mm. Die Differenz bis zum Verschleißmaß ist je nachdem ob Alu- oder Stahl-Kettenblätter Verwendung finden, 0,6mm oder 0,85mm. Dementsprechend werden für nicht-Campa-Antriebe 0,5 oder 0,7% Kettenlängung toleriert.
Vor dem Hintergrund der geringeren Campa-Verschleißtoleranz ist es noch erstaunlicher, das Campa-Ketten in der Regel länger halten als alle anderen.

Was wird ausser der Kette alles getauscht?

Weshalb muss man andere Teile auch tauschen? Wenn sich die Kette längt, dann passen die Glieder nicht mehr genau auf die Zähne von Kettenblatt, Ritzel und Schaltwerksrolle. Folglich stossen die Zähne dabei jedesmal leicht an das Röllchen der Kette an und wetzen sich dabei ab. Bei intensiv genutzten Schlechtwetterrädern führt dies langfristig zu spitzen Haifischzahn-Kettenblättern. Wenn diese Verschleissteile – allen voran das Ritzelpaket – durch diesen Prozess stark abgenutzt sind, passt bei einer neuen Kette erstmal nichts mehr und diese rutscht durch wenn man fest in die Pedale tritt. Das ist unangenehm und beispielsweise bei einem Antritt an einer Stopp-Strasse sogar gefährlich. Je länger man mit dem Kettenwechsel wartet und je mehr man mit einer verschlissenen Kette fährt, umso stärker werden die anderen Teile in Mitleidenschaft gezogen.

Zur Ausgangsfrage: Ich unterscheide zwischen meinem Lieblingsrad und meinen Alltagsrädern. Am Lieblingrad kommen die besten und teuersten Teile zum Einsatz. Hier geht ein Ritzelwechsel böse ins Geld. Daher tausche ich die Kette, sobald sie die kritische Länge erreicht hat, um das Ritzelpaket zu schonen.
Bei meinem Winterrad gehe ich anders vor. Hier bediene ich mich für Ritzelpaket und Kette beim billigen Segment. Diese funktionieren ja auch und der Gewichtsunterschied spielt keine Rolle. Hier fahre ich oftmals Kette und Ritzelpaket den ganzen Winter über, wohl wissend, dass das Ritzelpaket danach hinüber ist. Aber ich müsste zu oft Ketten tauschen, das lohnt sich nicht. Also tausche ich im Frühling Kette, Ritzelpaket und bei Bedarf die Kettenblätter.
Rutscht die neue Kette nach einem Wechsel nur auf wenigen Ritzeln unter hoher Kraft kann man die Kette auch noch einfahren, diese Probleme verschwinden, wenn sich die Kette etwas gelängt hat. So nach 500km sind die Verschleissteile wieder aufeinander abgestimmt. Dann weiss man aber auch, dass beim nächsten Kettenwechsel das Ritzelpaket ebenfalls fällig ist.
Auch hier möchte ich Andreas zitieren, der es etwas anders handhabt. Wichtig, da es sich um einen Sicherheits-relevanten Aspekt handelt:
Die Erfahrung, dass man eine neue Kette auf einem grenzwertigen Ritzelpaket noch „einfahren“ kann, habe ich persönlich und auch auf sehr vielen Kundenrädern gemacht. Ich neige allerdings dazu, der Kette keine 500km sondern höchstens 100km Karenzzeit zu geben. Kunden, die nach 100km noch Probleme haben, empfehle ich, die Kassette zu tauschen. Die „Einfahrzeit“ ist nicht ungefährlich und ein im Wiegetritt durchrutschendes Ritzel oder Kettenblatt kann zum Sturz führen. Ebenfalls kann ein durchrutschendes Ritzel beim Anfahren an einer Stop-Straße zu gefährlichen Situationen führen.

Welche Kette hält am längsten?

Ich rede hier nur aus meiner Erfahrung: Auf unseren Rennradreisen hatten wir schon einige Kettenrisse, weshalb wir auch immer Ersatzglieder dabei haben. Campagnolo Ketten sind die teuersten. Aber bisher hatten wir auch am wenigsten Kettenrisse mit Campa-Ketten und bei meinen Rädern hält eine Campa-Kette etwa doppelt so lange wie eine Shimano Kette. Bei Campa nehme ich Veloce für das Winterrad und Record für das Lieblingsrad. Bei Shimano setze ich 105, Ultegra und DuraAce ein. In der Summe schenkt es sich preislich nichts: Die Campa Kette ist teurer, hält aber länger. Mit SRAM Ketten habe ich bisher nicht sehr gute Erfahrungen gemacht.

Ein Beitrag von:
Lukas Kamber
Italophiler Schweizer. Geboren in einem kleinen Bauerndorf nahe Bern, war das Rad von Kind an ständiger Begleiter zwecks Mobilität. Viel zu spät – dafür umso intensiver – die Liebe zum Rennrad wiederentdeckt und damit das Naturerlebnis in den Bergen. Aktuell sind offroad Entdeckungsfahrten mit dem Gravelbike hoch im Kurs.
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