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Wie ich zu einem Claus Lauer Rennrad kam

Vom kaum zu beschreibenden Vergnügen, einen einzigartigen Rennrad-Oldtimer zu fischen

rennrad-retro-claus-lauer-002Man sagt mir eine sentimental eingefärbte Affinität zu alter Technik nach. Das kann ich an verschiedensten Stellen durchaus bestätigen, so gehört ein spielbereit angeschlossener Dual 506 Schallplattenspieler zum Haushalt und mit automobilem vom Schlag eines Lancia Fulvia Coupes hatte ich mich auch längere Zeit beschäftigt. Von den Fahrrädern, die ich mir in den vergangenen 27 Jahren neu zugelegt habe, sind noch alle fahrbereit in der Garage. Unter den Rädern befindet sich bis Dato auch ein gebraucht erworbener CBT-Italia Rennradrahmen, der wegen unrettbar fortgeschrittener äußerer und innerer Korrosion leider nicht mehr auf die Straße darf und daher wohl bis zum finalen Rahmenbruch Frondienste auf der Rolle verrichten muss.

Der traurige Anblick des auf der Rolle gefangenen Italieners ließ immer wieder den Wunsch nach einem klassischen Rennrad für gelegentlichen sonntäglichen Straßeneinsatz und als Schmuck an einer noch auszusuchenden Wand in mir keimen. Für eine aufwändige Restauration fehlt mir die Geduld und für den Kauf einer der zum Phantasiepreis auf dem Klassikermarkt angebotenen Rennradikonen die Unvernunft. Unter diesen Bedingungen schien das Ziel, einen makellosen Rennradklassiker fahren zu dürfen in unerreichbare Entfernung  zu entschwinden.

rennrad-retro-claus-lauer-003„Unverhofft kommt oft“ heißt es im Volksmund und „ein blindes Huhn findet auch ein Korn“. So könnte man umschreiben, wir mir eine Perle unter den klassischen Rennrädern zugelaufen ist. Ein Nachbar von mir, der selbst zwar noch Rad aber nicht mehr Rennrad fährt, hatte als Anerkennung für eine gute Tat dieses Rad von jemandem geschenkt bekommen, der sich dieses Rad von Claus Lauer maßanfertigen ließ. Der Erstbesitzer, der heute nicht mehr Rad fahren kann hatte mehrere Räder und so war es das Los des edlen Claus Lauer, zur Vermeidung von Verschleiß oder jeglicher Beschädigungen als Schmuck an der Wand zu hängen. Der Nachbar, der von meiner wohlwollenden Neigung zu hochwertigen alten Rädern weiß, nahm die erste Gelegenheit wahr, mir das Schmuckstück vorzuführen. Das Rad war so metallicrot, wie mein erstes eigenes 24“ Kinderfahrrad und die Rahmengröße konnte ich ohne Zuhilfenahme eines Maßstabs als „passt mir genau“ bestimmen. Lediglich die unerklärliche Umrüstung auf einen flachen Lenker trübte ein Wenig das Bild.

rennrad-retro-claus-lauer-001Mein Entschluß stand fest und ich habe meinem Nachbarn stante pede erklärt, dass ich dieses Fahrrad auf jeden Fall haben möchte. Sein älteres Qualitäts-Tourenrad habe ich ihm in den folgenden Tagen aufs Feinste wieder hergerichtet und bei der Übergabe des Tourenrades mit Hinweis auf den fehlenden Rennlenker ein konkretes Angebot für das Lauer gemacht. Langer Rede kurzer Sinn, das Claus Lauer war fortan meins.

Nur wenig getrübt war die Freude über den Neuerwerb durch das Fehlen von Rennlenker und Bremshebeln, das würde sich schon regeln lassen. Da das gesamte Rad als NOS zu bewerten ist, kam der Anbau von Bremshebeln mit Gebrauchsspuren nicht in Frage. In den nächsten Tagen sollte ich die Erfahrung machen, dass die aufgerufenen Preise für lieferbare NOS Campa-Bremshebel rennrad-retro-claus-lauer-006scheinbar auf der Goldwaage ermittelt werden. Diese Option schied also zunächst aus. Einen gut erhaltenen  Rennrad-Schaftvorbau und einen klassischen Alu-Rennlenker hatte ich noch im Fundus, also machte ich mich auf die Suche nach temporär zu montierenden Ersatzbremsgriffen. Fündig wurde ich bei Saccon, dort wurden ein Paar preiswerte Bremshebel angeboten, die das Gesamtbild des Rades nicht zu sehr stören und eine Inbetriebnahme des Rades technisch ermöglichen würden. Bis zur Lieferung der Bremshebel wurde der Rahmen entstaubt und der Lack gewachst, alle Lager kontrolliert, die Laufräder auf Rundlauf kontrolliert, Lenker und Vorbau montiert und ein neues weißes Lenkerband bereitgelegt. Erwartungsgemäß laufen die uralten aber beinahe unbenutzten Campa-Naben so wie man es von diesen Naben erwartet, nämlich seidenweich. Wenige Tage später durfte ich die Ersatz-Bremshebel in Empfang nehmen und das Rad komplettieren.

Die Probefahrt verlief besser als erwartet. Der Regal-Sattel erwies sich als bequem, vielleicht wäre der sogar marathontauglich. Das Rad rollt vorzüglich und fühlt sich komfortabel an. Die 52-39 Kettenradgarnitur in Verbindung mit den Übersetzungseinschränkungen des 14-26 8-fach Zahnkranzes verdeutlichen zwar die positive Entwicklung von Compaktkurbel und weit gespreizten Zahnkranzkassetten, ermöglichen mir jedoch trotzdem, meine gewohnten Routen durch das Bergische Land zu fahren. Die Monoplaner-Bremsen mit den Originalbremsbelägen auf eloxierten Felgen in Verbindung mit den „falschen“ Bremshebeln  fordern allerdings Handkräfte, die man heute nicht mehr tolerieren würde.  Die darauf folgende Vorstellung des betriebsbereiten Rades bei meinem Nachbarn bestätigte bei ihm die Gewissheit, das Rad in die richtigen Hände gegeben zu haben, und für mich gab es die ganz besondere Freude über die Nachricht, dass die Original Bremshebel gefunden wurden.

rennrad-retro-claus-lauer-007Die Original-Bremshebel (in NOS-Qualität) sind in der Zwischenzeit mit einem ebenfalls nochmals neuen Lenkerband montiert worden, eine weitere Probefahrt, die eine bessere Bremsleistung auf Grund günstigerer Hebelverhältnisse zum Ergebnis hatte wurde gemacht und das Claus Lauer Rad sieht seinem neuen Verwendungszweck als Sonntagsrad und Wandschmuck entgegen.

Ihr dürft Euch sicher sein, dass dieses Rad bei günstiger Gelegenheit von mir gefahren werden wird, ebenso sicher wird dieses Rad wohl niemals im Rahmen einer unserer Radreisen auftauchen und zu besichtigen sein. Den Radreisestress mute ich lieber meinem unkaputtbaren Titanrahmen zu.

Technisches:

Columbus TSX-Rohre in Cinelli-Muffen von Claus Lauer gelötet und lackiert

Columbus Stahlgabel

Campagnolo Chorus (nach velobase.com ca. 1990-1992)

Campagnolo Omega Schlauchreifenfelgen eloxiert

Conti Schlauchreifen

Ein Beitrag von:
Andreas Schmidt
Andreas ist einer unserer vielseitigen Gastblogger. Genauso intensiv wie er seine Blog-Artikel recherchiert, ebenso sorgfältig ist er bei jeglichen Radreparaturen, die er im Rahmen der Radreisen pannengeplagten Teilnehmerrädern selbstverständlich zukommen lässt. Herausfordernd wird es für ihn eigentlich erst, wenn ein technischer Defekt auf einer Rennradtour als nicht reparabel aussieht. Mit seinem technischen Know-How rund um das Fahrrad, seiner Regionenkompetenz und seinem rheinischen Humor wird er unseren Blog definitiv bereichern.
1 Kommentar
  1. Karen Schöler sagte:

    Hallo,
    wir haben ein Lauer Rad Campagnolo Chorus Comp.von 1997. Mein Mann möchte es gern verkaufen, da er es nicht mehr fährt. Haben SIe eventuell einen Tip, wo man es anbieten kann?
    Gruß Karen Schöler

    Antworten

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