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Ligurien – mehr Berge als erwartet

Ligurien ist meine zweite Heimat, entdeckt und lieben gelernt habe ich diesen wunderschönen Teil Italiens auf dem Rennrad. Normalerweise sieht man als Tourist nur den schmalen Küstenstreifen. Erwartet man hier Sandstrände, wird man nur an wenigen Orten, vorwiegend an der Blumenriviera, glücklich werden. An der levantischen Küste, insbesondere in der Cinque Terre, ragen die Berge direkt aus dem Meer auf und bieten eine einmalige Kulisse. Doch die wahren Schätze finden sich im Hinterland. Einsame Pässe, mildes Klima, unberührte Natur, schmale Strassen und gastfreundliche Osterien in Familienhand bieten alles was man als Rennradfahrer braucht.

Geographische Lage Liguriens

Ligurien erstreckt sich über 450 Kilometer entlang der Küste von der Grenze Frankreichs bis zur Cinque Terre. Im Grenzgebiet zu Frankreich wird Ligurien durch die Seealpen und im Norden und Westen durch den Apennin begrenzt. Getrennt werden beide Gebirge durch den Colle di Cadibona – einem äusserst unspektakulären Pass – im Hinterland von Savona.
Ligurien ist eine der kleinsten Regionen Italiens und stellt sich als schmaler Landstrich entlang der Küste im Golf von Genua dar. Hinter der, vor allem im levantischen Teil, ziemlich schroffen Küste, erheben sich die Berge steil und erreichen Höhen bis 2200 Meter. Der Apennin fällt Richtung Osten viel flacher ab. Bereits auf der zweiten Hügelkette nach der Küste, wo die Pässe etwa auf 1000 Metern liegen und man keine 20 Luftlinienkilometer vom Meer entfernt ist, verläuft die Wasserscheide. Ab hier verlaufen die Flüsse nordostwärts und entwässern über den Po in die Adria. Nur wenige grosse Flüsse fliessen in das ligurische Meer. Am grössten sind sicher die Magra und die Vara, welche beide vereint südlich von la Spezia an der Grenze zur Toskana ins Meer fliessen.

Das ligurische Klima

Durch die geschützte Lage im Golf von Genua, welcher durch die Bergkette abgeschirmt wird, und den Einfluss des Meeres, herrscht ein sehr mildes Klima. Südlich von Genua hat sich am tigullischen Golf ein hochpreisiger Tourismus entwickelt. Insbesondere das rennrad-ligurien-region-cinque-terremalerische Fischerdorf Portofino wurde weltberühmt und lockt noch heute Stars und Sternchen mit luxuriösen Yachten an, auch wenn der Glamour von einst ordentlich Federn gelassen hat. Diese Region wurde stark durch einen frühen Tourismus reicher Engländer geprägt, welche hier im Winter ein äusserst mildes Klima vorfanden. Davon profitieren wir natürlich auch auf dem Rennrad. In Küstennähe lässt sich problemlos das ganze Jahr Rennrad fahren, wie in diesem Blogpost näher erläutert wird.
Das milde Klima hat aber auch seine Schattenseiten. Seit 2008 nenne ich Chiavari im levantischen Teil meine zweite Heimat. Daher konnte ich hautnah erleben, wie sich ab ca. 2010 das Klima dramatisch verändert hat. Von Oktober – letztes Jahr (2015) bereits im September – bis März kommt es jedes Jahr wieder zu unglaublich intensiven Regenfällen, die sog. Wasserbomben. Es ist dies ein lokales Wetterphänomen, bei dem ein stationärer Wirbel vom viel zu warmen Meer grosse Mengen an Feuchtigkeit in die Hügel transportiert, die dann in Form von Steigungsregen niedergeht. Dabei gibt es in wenigen Stunden so viel Niederschlag, dass die kleinsten Bäche zu gewaltiger Kraft anschwellen und riesige Zerstörung mit sich bringen. Die Region ist recht hilf- und ratlos. Auch wenn es eines der kleinsten Übel ist: leider hat sich durch diese Zerstörungen auch der ehemals sehr gute Zustand der Strassen stark verschlechtert.

Radsport in Ligurien

Als Radsportler ist man in Ligurien ein Held. Das ist sehr angenehm. Einerseits wird man rennrad-ligurien-region-gastfreundschaftimmer wieder angespornt, sei aus aus Autos oder am Strassenrand, andererseits verhalten sich die Autofahrer sehr rücksichtsvoll. Nicht selten passiert es, dass ein Auto im Kreisverkehr auf seinen Vortritt verzichtet und vehement auf die Bremse tritt um einem Grüppchen an Radfahrern den Vortritt zu lassen.
Das höchste Pass westlich von Genua ist der Colle Caprauna mit relativ unspektakulären 1297 Metern über Meer. Auch das Gebiet südöstlich von Genua ist voller Berge – Hügel und Berge bedecken 99% der Fläche. Der höchste Berg ist der Monte Saccarello an der Grenze zum Piemont mit 2200 Metern, viele andere Berge wie zum Beispiel der 1804 m hohe Monte Maggiorasca erheben sich schon kurz nach der Küste und prägen das Landschaftsbild, wo man von vielen Orten einerseits das Meer und andererseits schneebedeckte Berge sehen kann.

Vor allem hinter der Riviera di Levante gibt es unzählige, sehr verkehrsarme Pässe zwischen 1000 und maximal 1500 Metern. Man verlässt dabei oftmals schon das ligurische Gebiet und fährt in der Emilia Romagna, Toskana oder Lombardei. Da man in der Regel von Meereshöhe startet, lassen sich anspruchsvolle Touren zusammenstellen. Insgesamt ein ideales Ziel für den Rennradfahrer der hier eine Unzahl an Pässen und Tourenvarianten findet und diese auf die aktuelle Formkurve abstimmen kann.
Auch der Profizirkus gastiert regelmässig in Ligurien. Neben der Classicissima Mailand San Remo (2016 keine Live-Berichterstattung im deutschsprachigen Fernsehen) gibt es auch regelmässig Giro Etappen auf ligurischem Boden. Es sind oftmals spannende Mittelgebirgsetappen. Sehr beliebt sind auch Zeitfahretappen auf der Cinque Terre Panoramastrasse, welche mit Helikopteraufnahmen spektakulär in Szene gesetzt werden. 2015 fanden drei Etappen auf ligurischem Boden statt. Leider werden diese nicht selten durch schwere Stürze überschattet weil die Abfahrten auf den sehr schmalen Strassen, kombiniert mit dem Tempo, das die Profis anschlagen, sehr gefährlich sind. Am Passo del Bocco ereignete sich 2011 ein tragischer Sturz, bei welchem Wouter Weylandt tödlich verunfallte. Ein Denkmal zeugt noch heute von diesem dunklen Tag in der Geschichte des Giro d’Italia.

Gastronomie & Kultur

Hungrig geht man in Ligurien sicher nicht zu Bett. Sehr grosszügig fällt bereits ein Besuch in einer Bar aus, da man ab 17 Uhr zu einem (in der Regel alkoholischen) Getränk mit einem reichhaltigen Teller an Pizza, Tramezzini, Oliven und dergleichen verwöhnt wird.
Selbstverständlich lässt auch ein Besuch in einem Restaurant keine Wünsche offen. Höchstens in den Badeorten muss man etwas aufpassen, dass man nicht etwas lieblos abgefertigt wird.
Bekannt ist die Region natürlich für das Pesto Genovese.
Kulturell wird einem vor allem in Genua einiges geboten, da man hier viele schöne Museen findet. Natürlich kann Ligurien diesbezüglich nicht mit der benachbarten Toskana mithalten. Auf einer Rennradtour wird das Auge aber immer wieder mit schönen, aufwändig bemalten Häuserfassaden verwöhnt. Die Bergdörfer sind erstaunlicherweise noch recht lebendig und bieten in der Regel auch eine Bar oder ein Ristorante. Die traditionellen Farben, in welchen die Häuser bemalt sind, bieten schöne Farbkleckser in der üppig grünen Vegetation.

Ein Beitrag von:
Lukas Kamber
Italophiler Schweizer. Geboren in einem kleinen Bauerndorf nahe Bern, war das Rad von Kind an ständiger Begleiter zwecks Mobilität. Viel zu spät – dafür umso intensiver – die Liebe zum Rennrad wiederentdeckt und damit das Naturerlebnis in den Bergen. Aktuell sind offroad Entdeckungsfahrten mit dem Gravelbike hoch im Kurs.
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