Eiweisszufuhr im Rennradsport – elegant gelöst
Das Problem mit dem Eiweiss
Ich esse keine Tiere. Nicht aus sonderlich ehrenwerten oder moralischen Gründen. Ich mag bloss nicht besonders gerne auf sie beissen. Zwei, dreimal im Jahr esse ich etwas Fisch. Damit gehöre ich zur Gruppe der Ovo-lacto-Pescetarier, und diese haben, besonders wenn sie Ausdauersport wie Rennradfahren betreiben, ein kleines Eiweisszufuhrproblem.
Nun klaffen die im Internet kursierenden Berechnungstabellen zum Kalorien- und Eiweissbedarf beim Radsport um etwa tausend Prozent auseinander. Praktischerweise spuckt mein Garmin, der mich besser kennt als meine Mutter, die einfach zu rechnende Zahl von gut 500 Kalorien pro Stunde aus. Dies ergibt bei durchschnittlich zwölf Stunden Ausdauersport im Sommer 6000 zusätzliche Kalorien pro Woche, also gut 850 pro Tag, davon etwa 50 Gramm Proteine.
Ohne dieses Eiweiss wird mein Körper seine Reserven angreifen. Wenn ich keine Muskeln abbauen will (undenkbar) oder aussehen wie Kate Moss zu ihren besten Heroin-Chic-Zeiten (denkbar, aber nicht wünschenswert), müssen Proteine her. Und zwar viele. Womit wir wieder beim Problem des Fleischverachters sind. Denn damit fällt die grösste Eiweissquelle weg.
Ein kurzer Blick in Küchen- und Kühlschrank ergibt folgende Lösungsansätze: Eier und Käse.
Lösung Nummer 1: Ei ei
Ein Ei enthält etwa sechs Gramm Eiweiss. Für 50 Gramm Eiweiss muss ich täglich mehr als acht Eier essen. Das sind siebeneinhalb zu viel für meinen Geschmack. Selbst wenn man mitrechnet, dass meine Lieblingskekse bestimmt auch ein wenig Ei enthalten und es dann pro Woche vielleicht eines weniger wäre.
Lösung Nummer 2: So ein Käse
Also muss es der Käse richten. Hier sieht die Sache schon vernünftiger aus. Raclettekäse zum Beispiel ist eine wahre Proteinbombe. Mit lediglich 200 Gramm pro Tag erfülle ich das Soll mit Leichtigkeit. Erfreut, nicht mein restliches Leben lang von Rührei leben zu müssen, statte ich der Dorfkäserei einen Besuch ab und decke mich mit Raclettekäse in allen Variationen ein. Der Käse flutscht wie geschmiert vom Förmchen in meinen Magen, und ich meine schon zu spüren, wie meine Muskeln jauchzen und gross und stark werden.
Am zweiten Tag gibt es aufgewärmtes Raclette.
Am dritten Tag gibt es Käseschnitte aus übrigem aufgewärmtem Raclette.
Am Vierten überlege ich mir, ob Vegetarismus wirklich eine erstrebenswerte Lebensform ist.
Am Fünften sehne ich mich nach einem T-Bone-Steak, das über den Tellerrand hängt.
Am Sechsten schmeisse ich den übrigen Käse in den Müll.
Versuch Nummer 3: Zement für den Magen
Ein Notfallplan muss her. Dieser beinhaltet ein Regal im Sportgeschäft, das überteuerte Plastikbehälter von der Grösse von Regenwassertonnen enthält, auf denen lauter Bezeichnungen mit vorangestellten Einzelbuchstaben und Zahlen stehen. Meist steht das Regal in unmittelbarer Nähe zu den Hanteln und Bauchformfoltergeräten.
Nach langem Werweisen, ob nun BCAA oder L-Carnitin oder gar EAA das Richtige ist, entscheide ich mich für eine Dose auf der linken Seite des untersten Regals. Dies aufgrund marketingtechnischer Überlegungen, denn in der Bückzone platzieren Supermärkte bekanntlich die Produkte, die dasselbe enthalten wie diejenigen in der Sichtzone, bloss dass sie billiger sind.
Zuhause studiere ich die Zubereitung und stelle erfreut fest, dass ich richtig gewählt habe. Für meine 50 Gramm Eiweiss sind lediglich vier Messlöffel von dem Pulver notwendig. Das muss zu schaffen sein, denke ich und schütte die Zutaten in einen Shaker. Zehn Sekunden später steht fest, dass ich falsch gewählt habe. Es schmeckt wie eine Mischung aus Fischkleister und Dachpappe, verfeinert mit künstlichem Süssstoff. Ich schütte das Zeug weg und hoffe, dass es nicht für alle Zeiten den Abfluss zementiert.
Die Erleuchtung: So einfach kann es sein
Frustriert klaube ich eine Tafel Schokolade aus meinem Notvorrat im Putzschrank und schmeisse mich auf den Schaukelstuhl. Dass das so schwierig sein muss mit diesem Eiweiss. Fett und Zucker, um ein schönes Gegenbeispiel zu nennen, finden sich überall in Hülle und Fülle. Meine Tafel Lindt Milch Extra beispielsweise liefert sagenhafte 31 Gramm Fett und 56 Gramm Zucker. Weshalb kann das Eiweiss da nicht einfach mitziehen? Doch Moment, ruft mein Rechenzentrum. 31 und 56 sind keine 100. Wo bleibt denn da der Rest? Und richtig. Ich kann mein Glück kaum fassen, als ein Blick auf das Kleingedruckte offenbart, dass sich wunderbare 6.5 Gramm Eiweiss in der Kakaomasse verstecken. Mehr als in einem Ei.
Mein Problem ist gelöst. Im Sinne einer sportoptimierten Ernährung werde ich fortan nicht anders können, als täglich siebeneinhalb Tafeln Milchschokolade zu essen.
Es wird eine Qual. Doch was tut man als pflichtbewusste Rennradfahrerin nicht alles für die Gesundheit.
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