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Die Sache mit der Wintersonnenwende – ein Motivationsversuch

Die Alltagsfahrer unter euch kennen das: Nehmen wir an, dass man so 46 Wochen pro Jahr arbeitet. Weiter gehen wir von einem fortschrittlichen 80-Prozent-Pensum aus. Das ergibt 184 Arbeitstage, an denen man den Arbeitsweg zwei Mal zurücklegt. Man ist ja ein Gewohnheitstier und in meinem Fall kann ich sagen, die ideale Arbeitswegstrecke gefunden zu haben: Ein Weg 18 Kilometer und nur eine Ampel (naja, zwei, aber an einer halte ich aus Prinzip nicht). Worauf will ich hinaus? Der Reiz der Streckenführung ist irgendwie nicht mehr so da. Die gespannte Erwartung, was sich hinter der nächsten Kurve versteckt oder ob man denn nun endlich die Passhöhe erblickt, dieser Entdeckerdrang wird auf dem Arbeitsweg nicht wirklich befriedigt.

Ich finde das gut. Man konzentriert sich mehr auf die Details, die Veränderungen am Strassenrand, beginnt klimatische Zusammenhänge zu erkennen und verstehen. Jeden Tag gibt es etwas zu entdecken.

Nun, bei Tageslicht gibt es natürlich viel mehr zu entdecken und mit der Dunkelheit kommt auch die Kälte. Mit anderen Worten: Der Winter ist nicht der Freund des Rennradfahrers. Eine meiner Motivationsstrategien, um auf dem Rennrad über den Winter zu kommen: Ausrechnen, wie lange es noch hin ist bis zum kürzesten Tag. Und dann ausrechnen, an welchem Tag es wieder so hell sein wird wie jetzt. Ein tolles Spiel, man kann es pro Arbeitsweg mehrfach spielen und jeden Tag aufs Neue. Und jedesmal, wenn man es spielt, sind wieder ein paar hundert Meter Wegstrecke zurückgelegt (man sollte das Spiel nicht in einer Abfahrt spielen, es erfordert höchste Konzentration).

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es einige Jahre gedauert hat, bis ich gemerkt habe, dass mit dieser Wintersonnenwende etwas faul ist. Jedes Kind weiss, dass der kürzeste Tag am 21. oder 22. Dezember ist. Auch wenn sich hier in der Klasse schon die naturwissenschaftliche Spreu vom Weizen getrennt hat, ist die Erklärung dafür recht simpel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenwende

Beim Windmühlen-gleichen Durchkauen meines Spiels ist mir aber aufgefallen, dass sich der Zeitpunkt von Sonnenaufgang und -untergang alles andere als symmetrisch zur Sonnenwende verhält. Einige von euch mögen nun sagen, das sei doch ein alter Hut. Aber ich glaube, das ist gar nicht so vielen Leuten bewusst – ausser eben jenen, die täglich mit dem Motivationsproblem kämpfen, wenn sie am Morgen in der Dunkelheit aufs Rennrad steigen.

Also, die unzähligen empirischen Pedaltritte haben bei mir die Erkenntnisse dieser Asymmetrie, auch bekannt als «Fäulnis der Sonnenwende», zutage gefördert, so dass Wikipedia bemüht werden musste.

Und siehe da! Ich zitiere Wikipedia:

Obwohl der Tag der Wintersonnenwende der kürzeste Tag ist, tritt zur Wintersonnenwende auf der Nordhalbkugel der früheste Sonnenuntergang bereits etwa zehn Tage früher und der späteste Sonnenaufgang erst etwa zehn Tage später ein. Ursache hierfür ist die Zeitgleichung.

Die Ursache dieser Zeitgleichung ist alles andere als trivial: …die leicht schwankende Geschwindigkeit der Bewegung der Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne…

Wen es interessiert, der kann es en detail hier nachlesen, es ist schon recht abgefahren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitgleichung

Wie wirkt sich das aus? Ganz einfach: Vor der Wintersonnenwende ist es am Abend schon früh finster, am Morgen hält sich das Tageslicht noch recht tapfer.
Nach der Wintersonnenwende dagegen verschiebt sich der Sonnenaufgang noch weiter nach hinten, dafür wird es am Abend langsam aber sicher heller. Bis selbiges auch am Morgen eintrifft, dauert es noch ein Weilchen.

In Zahlen ausgedrückt, aus Wikipedia:

…erfolgt der früheste Sonnenuntergang in Norddeutschland bereits etwa am 14. Dezember, also eine Woche vor der Wintersonnenwende, in der Schweiz schon um den 11. Dezember.

…der späteste Sonnenaufgang nicht zur Wintersonnenwende (heutzutage zumeist am 21. Dezember), sondern in Norddeutschland um den 29. Dezember, in der Schweiz um den 3. Januar.

Und was genau ist motivierend daran? Ganz einfach: schon bald ist der früheste Sonnenuntergang erreicht, danach wird es am Abend endlich wieder heller. Zeit für eine kurze Feierabendrunde!

Ein Beitrag von:
Lukas Kamber
Italophiler Schweizer. Geboren in einem kleinen Bauerndorf nahe Bern, war das Rad von Kind an ständiger Begleiter zwecks Mobilität. Viel zu spät – dafür umso intensiver – die Liebe zum Rennrad wiederentdeckt und damit das Naturerlebnis in den Bergen. Aktuell sind offroad Entdeckungsfahrten mit dem Gravelbike hoch im Kurs.
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