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Côte d’Azur – Rennrad Revier

Hört man Côte d’Azur, denkt man logischerweise sofort an tolle Küste, das blaue Meer, Cannes und St. Tropez. Stimmt, das ist die Côte d’Azur. Die Côte d’Azur, wie man sie aus Prospekten, dem Fernsehen und den unsäglichen Louis de Funès Filmen kennt. Für den Rennradfahrer sieht – wie so oft – alles etwas anders aus. Das angrenzende Ligurien bietet meines Erachtens viel attraktivere Küstenabschnitte, aber direkt hinter der Küste beginnt an der Côte d’Azur ein traumhaftes Rennrad Gebiet, das seinesgleichen sucht und zu meinen absoluten Lieblingsrevieren zählt.

Was ist eigentlich die Côte d’Azur?

Da mag sich auch Wikipedia nicht so genau festlegen, sowieso überrascht der kurze Beitrag in der Online Enzyklopädie. Und wieder einmal zeigt sich erst beim Schreiben des Blogbeitrages, wie gross die eigenen Wissenslücken sind und wie vielschichtig dieses eigentlich banale Thema ist.rennrad-cote-azur-kueste
Das einzig Eindeutige ist die östliche Begrenzung, nämlich die Grenze zu Italien. Über die westliche Ausdehnung scheint da deutlich weniger Klarheit zu herrschen. Doch da bei Marseille die Rhône ins Meer fliesst und dieses Gebiet den Namen Camargue trägt, scheint mir die in Wikipedia genannte Grenze bei Cassis sinnvoll. Und da Côte gleichbedeutend mit Küste ist, reden wir also von der Küste zwischen Italien und Marseille.
Politisch befindet man sich auf diesem Gebiet in den Départements Bouches-du-Rhône und Var.

Viel interessanter: Provence-Alpes

Hochgebirge? Nein, über dem Var Tal

Da Sandstrände mit dem Rennrad mässig Spass machen, dehnen wir die geographische Ausdehnung der Côte d’Azur für unsere Zwecke etwas aus. In Frankreich gibt es 18 Regionen, hier an der Côte d’Azur handelt es sich um die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Provence und Alpes, doch, das tönt schon eher nach Spass und nicht nach Sonnecrème-geschwängertem Strandambiente und dem drögen Dasein als Sand-paniertem Grillgut.
Diese Region hat eigentlich alles zu bieten, was Rennradfahrers Herz begehrt. Es gibt die stinklangweilige Strandpromenade, dann eine Hügelzone mit einem Labyrinth aus Strassen für Hausrunden oder wenn in den Bergen Regenwolken hängen, und je näher man an die italienische Grenze und damit in die Seealpen kommt, richtiges Hochgebirgsfeeling und lange Anstiege. Und was mir am besten gefällt: wilde, tief eingeschnittene Schluchten und Flusstäler.

Fahrt ins Tal der Vésubie

Spektakulär gebaute Strassen, die sich in schwindelerregender Höhe in diese Täler hineinziehen. Da wähnt man sich nicht in Küstennähe, sondern tief in den Alpen. Und dann kommt man aus dem Tal und fährt durch liebliche Hügel und der Duft von Oliven liegt in der Luft. Dieser Wechsel, so rasch und unverhofft, der sich in Vegetation, Temperatur, Ausblicken, dem ganzen Landschaftsbild vollzieht, das habe ich in der Form noch nie gesehen.

Im Februar in den Hügeln um Nizza

Im Februar in den Hügeln um Nizza

Daher reduziere ich die wirklich interessante Rennradregion «Côte d’Azur» auch auf das Hinterland von Nizza. Sicher ist die Region weiter westlich auch schön, aber diese Charakteristik erlebt man nur in den Ausläufern der Seealpen. Und das grosse Tal der Var, welche bei Nizza ins Mittelmeer fliesst, bietet mit seinen Seitentälern die idealen Voraussetzungen um sich richtig auszutoben.

Klimatrumpf: mehr als Indizien

Es gibt Klimadiagramme und es gibt Indizien, dass an der Côte d’Azur ein Klima herrscht, das uns wohlgesonnen ist.

Col de la Madone im Dezember

Aus den Klimadiagrammen, beispielsweise hier, sieht man, dass beispielsweise Februar schon ein sehr trockener Monat ist und reichlich Sonnenstunden bietet. Da man viele Möglichkeiten hat, lange, abwechslungsreiche Runden sowohl in der Hügelzone hinter der Küste als auch erste, tiefer gelegene Pässe zu fahren, ist die Côte d’Azur für mich die naheliegende Destination für ein frühes Trainingslager. Naheliegend ist natürlich immer relativ, aber für mich als Schweizerin ist Fahrt an die Côte d’Azur durchaus machbar.
Dann gibt es die Indizien für ein gutes Klima: Alle kennen die berühmten Orte, Menton, Monaco, Nizza, Cannes, Antibes und St. Tropez. Noble Orte mit horrenden Grundstückspreisen und viel zu viel, viel zu reichen Leuten. Natürlich liegt das an der Lage, am Meer. Aber – und das sieht man beispielsweise auch auf italienischer Seite bei Portofino und Santa Margherita – das milde und insbesondere im Winter gemässigte Klima war ein treibender Faktor für einen frühen, wohlhabenden Tourisums, der den Orten überhaupt dieses Rénommée eingebracht hat.

Team Sky im Februar

Team Sky im Februar

Gemässigtes Winterklima – das ist natürlich Musik in den Ohren jedes Rennradfahrers und tatsächlich, auch mehr als ein Indiz: Fährt man im Winter oder frühen Frühjahr zum Training an die Côte d’Azur, wird man auf den Strassen ganz bestimmt einigen Profiteams begegnen, die sich auf die kommende Saison vorbereiten. Und wer jetzt denkt, das sei nur Jägerlatein und die Pros seien doch eh alle auf Mallorca oder Teneriffa unterwegs. Nein, an der Côte d’Azur ist Rennradsport und auch Profisport allgegenwärtig.
Der Col de la Madone beispielsweise hat Berühmtheit erlangt, weil er Lance Armstrong, als er in Nizza lebte, von Menton aus als der Trainingspass gedient hat. Dies hat dann auch zur Benennung der Madone-Rahmen bei Trek geführt.

Strassen für das Rennrad: was will man mehr

Strassenqualität auf höchstem Niveau

Fast könnte man meinen, an der Côte d’Azur hätte man nichts Besseres zu tun, als Strassen für die Radfahrer zu bauen: Gut rollender Asphalt, Strassen von bester Qualität und auch im einsamen Hinterland begegnet man immer wieder mal einer Kehrmaschine, die Dreck und Steine beiseite schafft. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie man so ein umfangreiches Strassennetz in so hervorragendem Zustand halten kann.
Wirklich nett sind auch die weiteren Extras, in welchen sich zeigt, dass die Radfahrer tatsächlich ziemlich hoch in der Gunst der Franzosen stehen. Da seien die Schilder erwähnt, welche auf dem Weg zu einigen Pässen an jedem Kilometer am Strassenrand darüber Auskunft geben, wie hoch man sich aktuell befindet, wie steil der nächste Kilometer ist und wie weit es noch bis zur Passhöhe ist. Weiter gibt es wirklich sinnvolle Radwege. Gerade im stark befahrenen Var-Tal eine Wohltat. Diese Radwege sind so breit angelegt, dass man auch mit einer Rennradgruppe ordentlich aufs Tempo drücken kann.
Uns solls Recht sein! Auf den Strassen der Côte d’Azur zu fahren macht einfach in erster Linie unglaublich Spass.

Pässe: alles dabei

Besagte Strassen gipfeln natürlich auch in zahlreichen Pässen. Hier irgendwelche Favoriten zu nennen wäre völlig sinnlos. Fakt ist, dass es viele Pässe gibt. Solche, die Namen und ein Passschild haben, andere Übergänge, die in namenloser Schönheit erstrahlen. Wichtig ist, dass es sehr viele, oftmals parallel verlaufende Pässe gibt, welche eine immense Zahl an Kombinationsmöglichkeiten eröffnen, so dass man geplante Touren fast beliebig modifizieren kann. Am ehesten fehlt es an Pässen, welche über längere Zeit eine Steigung von mehr als 10% aufweisen. Was wiederum viel über die Anstiege aussagt: die Strassen wurden sehr aufwändig gebaut, winden sich in schier unendlicher Kurvenabfolge empor und steigen dabei im Schnitt selten mit mehr als 5%.

Südanfahrt zum Col de Turini

Südanfahrt zum Col de Turini

Ein Pass verdient sicher trotzdem besondere Erwähnung: Der Col de Turini. Er befindet sich nicht weit von der Küste entfernt und erreicht eine stattliche Höhe von etwas mehr als 1’600 Metern. Fährt man noch über die Panoramastrasse, eine Ringstrasse, knackt man sogar die 2’000 Meter Marke. Damit nimmt er auf alle Fälle eine Sonderstellung ein. Gerade auf südlicher Seite und auf der Panoramastrasse bietet der Col de Turini auch viel fürs Auge.

 

Vegetation: Dufte

Zum Col de Vence

Wie bereits angesprochen bietet die Côte d’Azur ein sehr abwechslungsreiches Landschaftsbild, das natürlich auch von sehr unterschiedlicher Vegetation geprägt ist. Findet man in Küstennähe und in den Hügeln rund um Nizza schöne, lichte Olivenhaine, ist die Vegetation auf den Pässen und in den Tälern teilweise sehr karg. Eine steinige, imposante Bergwelt bietet sich dem Auge. Dies wirkt sich vor allem im Frühling bei wolkenlosen Verhältnissen sehr positiv aus, da man selten im Schatten und oft an der prallen Sonne fährt. Im Sommer wird es natürlich dementsprechend unerträglich heiss.
Im Frühling präsentiert sich die Region in einem traumhaft farbigen Kleid. Die Kleinstadt Grasse gilt als Zentrum der Parfümindustrie und ist bekannt für seine – leider immer seltener werdenden – Blumenplantagen und die Extraktion der Duftstoffe für die Herstellung der kostbaren Wässerchen. Die «blumige» Vegetation an der Côte d’Azur war natürlich der Ursprung dieses Handelszweigs.
Was mir im Vergleich zu Ligurien und dessen Hinterland am meisten fehlt, sind die dort vorherrschenden Wälder, die im Frühling beinahe schon an Regenwald erinnern, dieses satte Grün das mit dem Blau des Himmels eine traumhafte Kombination ergibt. Aber es muss ja auch nicht alles geben an der Côte d’Azur, nach Ligurien ist ja nicht weit …

Fazit: Bestes Rennrad Revier

Unterwegs in einem meiner Lieblingsreviere

Fasst man alle Faktoren zusammen – abwechslungsreiche Landschaft (Küste, Flusstäler, Olivenbaum bestandene Hügel und hohe Berge), verkehrsarme Strassen, endlos Tourenvariationen mit vielen Pässen, pittoreske, gut erhaltene Dörfer mit schönen Steinhäusern, super Strassenbedingungen – so ist die Côte d’Azur, respektive das Hinterland der Côte d’Azur, für mich eines der absoluten Lieblingsgebiete. Hinzu kommt der Umstand, dass die Strassen  meist nur mit durchschnittlich 5% ansteigen. Mit dem günstigen Klima daher für mich definitiv das Top-Revier für ein Rennrad Frühlings Trainingslager. Zumal ich aus der Schweiz frühmorgens losfahren kann und am Nachmittag reicht es noch für eine erste Tour, und zwar mit meinem eigenen Rennrad. Was ich gegenüber meinem anderen Lieblingsrevier Ligurien – diesseites des Golfes von Genua – vermisse, ist die Gastronomie, guter Kaffee und die tollen Bars die man dort auch im Hinterland in beinahe jedem Dorf findet. Da muss man an hier schon länger suchen, um etwas Anständiges zu finden.

Ein Beitrag von:
Barbara Mohr
Ich bevorzuge epische Abenteuerreisen ohne Zeitdruck, am liebsten vom Sonnauf- bis zum Untergang. Sonst stehe ich am liebsten in der Küche. Bin immer auf der Suche nach traditionellen Rezepten, vorzugsweise aus Italien. Rennradfahrer am Tisch sind mir eine Freude, die bringen wenigstens ordentlichen Appetit mit. Ich fertige auch grössere Gruppen auf den Rennradreisen ab, ohne dass jemand hungrig zu Bett gehen muss.
8 Kommentare
  1. ThomasG sagte:

    Toller Blog! Das macht echt Lust auf das Hinterland der Cote d’Azur.
    Hast Du einen guten Tipp, wo (Ort, Stadt) man am besten das Basislager aufschlägt ? Möchte diesen März dorthin – aber nicht nach Nizza und Co., bin fürs Rennradfahren dort und nicht für den Glamour..

    Antworten
    • Lukas sagte:

      Hallo Thomas

      wir haben ja Ende März auch unsere Rennradreise dort:
      https://cote-azur-provence.cycling-adventures.org/

      Unser Standort ist Vence. Das liegt sehr günstig, ist nämlich wegen den Hügeln schon total ruhig und grün, man kommt innert Kürze aus dem Ort raus auf wenig befahrene Strassen und der Ortskern ist super pittoresk.

      Kann ich nur empfehlen. Man hat auch sehr viele Tourenmöglichkeiten.
      Ich bin derzeit gerade am Planen und freue mich schon auf unsere beiden Wochen

      https://www.komoot.de/user/379611953925/tours

      Alternativ ist sicher auch Grasse ein guter Ort mit ausreichend Infrastruktur.

      Lieber Gruss, Lukas

      Antworten
  2. ThomasG. sagte:

    Hoi Lukas,
    Danke nochmals für Deinen Tipp und die Infos.
    Ich war gerade eben letzte Woche in Vence. Vence ist ein absolut idealer Standort für tolle Rennrad-Touren im Hinterland oder auch an die Küste. Mit dem Hotel Miramar fand ich auch noch eine stilvolle Bleibe und nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt.
    Auch eure Touren auf Komoot passen gut und machten Freude. Trotz dem manchmal etwas garstigen Wetter – aber Col du Turini im Schnee gibt in der Tat ein cooles Feeling ;-)
    Sportliche Grüsse, Thomas

    Antworten
    • Lukas sagte:

      Hallo Thomas

      vielen Dank für deine Rückmeldung.
      Wir haben mittlerweile auch unsere erste Rennrad Reisewoche an der Côte d’Azur absolviert und nachdem ich die Gegend – die nicht ganz einfach zu durchschauen ist, vor allem in Küstennähe – denke ich auch, dass Vence der ideale Standort ist.
      Wir sind ab Samstag wieder für eine Rennradreise dort, da wird sicher wieder das ein oder andere Mosaiksteinchen und Komoot Tour hinzukommen.

      https://www.komoot.de/user/379611953925

      Lieber Gruss, Lukas

      Antworten
  3. Karsten sagte:

    Da ich im Juli an die Cote d‘ Azur fahre suche ich einen Rennradverleih an der Küste ,am Besten in der Nähe von Bormes les Mimosas. Kann jemand helfen? Danke

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    • Lukas sagte:

      Hallo,
      nein, leider kenne ich auch nichts. Habe mal in Nizza ein bisschen gesucht, aber noch nicht richtig fündig geworden. Falls du einen Laden, wo man anständige Rennräder mieten kann, lass es mich wissen.

      Lieber Gruss, Lukas

      Antworten
  4. Eberhard Schymik sagte:

    Hallo Lukas,
    Dank für Deine Infos aus dem vergangenem Jahr. Nun habe ich eine Frage. Ende Mai 18 fahre ich nach Nizza und Antibes. Ich würde gern mal einen Bike-Bauer aufsuchen. Hast Du zufällig in den genannten Orten einen ausfindig gemacht? Eventuell auch in anderen Orten der „Cote“, ggf. auch im Hinterland. Freue mich über eine Nachricht von Dir.
    Liben Gruß, Eberhard

    Antworten

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