Campagnolo Bora One 35 Schlauchreifen – ein Alltagslaufradsatz?
Über lange Jahre habe ich mich gegen Carbonfelgen am Rennrad gewehrt, da ich viel in den Alpen unterwegs bin und mir Carbonlaufräder für Drahtreifen diesen Anforderungen nicht gewachsen schienen. Einige meiner Freunde haben sich Carbonlaufräder mit Schlauchreifen zugelegt. Wenngleich dadurch das Problem der Hitzeentwicklung nicht mehr als Auschlussgrund genannt werden kann, so schreckte mich doch das Aufkleben der Reifen ab. Mit einem neuen Rennrad musste schließlich auch ein neuer Laufradsatz her und die Campagnolo Bora One 35 schienen mir dafür geeignet. Die einzige Frage, die mir blieb: Sind Carbonflegen mit Schlauchreifen alltagstauglich, also kann ich diese auch auf den von mir geleiteten Reisen problemlos fahren?
Aufbau
Bei den Campagnolo Bora One 35 handelt es sich um Carbonfelgen mit Aluminiumspeichen. In der Nabe sorgen die USB-Lager von Campagnolo für wenig Reibung und damit ruhige Fortbewegung. Das Lagerspiel kann, wie bei Campagnolo üblich, mit einer kleinen Madenschraube problemlos selbst nachgestellt werden – einer der kleinen Punkte, die ich sehr schätze. Bereits beim Auspacken war ich begeistert von der feinen Verarbeitung. Geliefert werden die Laufräder mit eigenen Laufradtaschen und dem zugehörigen, roten Campagnolo-Bremsbelag. Beim Freilauf gibt es die Wahl zwischen Campagnolo und Shimano/SRAM, wobei die zweitere Option wohl eher selten ist.
Die Schlauchreifenfelge verfügt nicht über die gewohnte Einbettung für den Schlauch, sondern ist einfach abgeflacht, damit der Schlauchreifen gut aufgeklebt werden kann. Die 24,2 mm breite Felge erfordert einen 25 mm breiten Reifen, um die Breite auszunützen und gleichzeitig ideale aeordynamische Eigenschaften zu erzielen. Der Reifen ist also etwas breiter als die fast standardmäßigen 23 mm. Aufgrund der Eigenschaften des Felgen können die Reifen problemlos auf 10 bar aufgepumpt werden, auch die Gefahr eines Platzers wegen Überhitzung sollte grundsätzlich reduziert werden oder gar wegfallen.
Mit nur 1210g laut Hersteller sind die Campagnolo Bora One 35 sehr leicht, die höhere Variante mit 50 statt 35 mm Felgenhöhe wiegt etwa 50g mehr. Bei einem Preis von rund 1400,- € ergibt sich ein sehr gutes Verhältnis. Trotz des geringen Gewichtes sind die Laufräder sehr stabil und ich merke auch bei starken Antritten kein Nachgeben.
Reifen aufkleben und tauschen
Viele, mich bis vor meinem Kauf eingeschlossen, hält von Schlauchreifen das Aufkleben der Reifen auf. Wie einfach geht das wirklich? Ich musste mich erst selbst davon überzeugen, dass es kein Problem ist. Grundsätzlich stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Klebeband oder Kleber. Das Klebeband, entwickelt von Tufo, wird einfach auf die nackte Felge geklebt, dann der Reifen aufgelegt, zurechtgerückt und schließlich die Schutzfolie zwischen Reifen und Felge entfernt. Der Kleber muss aufgepinselt werden und dann erst einmal trocknen, bevor der Reifen aufgelegt und festgeklebt werden kann.
Beide Möglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile. Das Aufkleben mit Klebeband funktioniert sehr schnell, jedoch ist das Vertrauen einiger Mechaniker und Händler in seine Wirkung bei hohen Temperaturen eingeschränkt. Ich bin selbst mit den Campagnolo Bora One 35 die Großglockner Hochalpenstraße an einem heißen Sommertag mit viel Vekehr abgefahren und habe danach keinerlei Veränderung bemerkt, ein Freund von mir ist die berühmt-berüchtigte Westseite des Monte Zoncolan nach Ovaro mit Klebeband geklebten Schlauchreifen abgefahren und konnte ebenfalls nichts außergewöhnliches feststellen. Beim Reifenwechsel sollte das alte Klebeband entfernt werden und das kann durchaus etwas aufwändig sein. Das Aufkleben mit Kleber ist etwas aufwändiger, hat sich jedoch über lange Jahre im Profiradsport bewährt und ist die traditionellere Variante. Beim Aufpinseln des Klebers muss man etwas mehr achtgeben, um nicht Rückstände auf der Bremsflanke zu haben.
Ich habe mich für das Klebeband entschieden und komme damit gut klar, kenne aber auch einige, die Kleber verwenden und damit ebenso gut zurechtkommen. Als Reifen verwende ich aktuell den Vittoria Corsa CX III, wo die Ventillänge gerade noch ohne Verlängerung für die 35 mm hohe Felge ausreicht.
Bremsverhalten
Die Beschreibungen und Beobachtungen des Bremsverhaltens von Carbonfelgen, insbesondere auch bei Nässe waren anfangs ebenfalls ein Hinderungsgrund selbst welche zu fahren, aus dem einfachen Grund, dass damit die Alltagstauglichkeit für mich verloren gehen würde. Bei meinem ersten längeren Alpenaufenthalt war ich begeistert vom Bremsverhalten im Trockenen, das gefühlt vergleichbar, wenn nicht sogar besser als bei meinen diversen Campagnolo Aluminiumlaufrädern ist.
Als Abschlusstour stand der SuperGiroDolomiti auf dem Programm und dabei begann es im Anstieg zum Lanzenpass aus Kübeln zu regnen. Die Abfahrt nach Pontebba gehört nicht zu den besten und ist zudem steil und kurven- und kehrenreich. Beim Anbremsen der ersten Kurven war ich äußerst positiv überrascht, wie schnell und gut die Bremsleistung einsetzte. Sobald die Felge durch die Bremsbeläge abgetrocknet ist, ist die Bremsleistung absolut vergleichbar mit trockenen Bedingungen. Im weiteren Verlauf des Rennens blieb es nass und am Ende ließ sich, trotz vielen Bremsmanövern kaum ein Verschleiß der Bremsbeläge erkennen.
Auch nach weiteren Regenfahrten in den Alpen ist der Bremsbelag nur minimal verschlissen. Für mich ist das Bremsverhalten ein großes Plus der Campagnolo Bora One.
Pannensicherheit
Um nicht unterwegs bei kleineren Defekten einen neuen Reifen aufkleben zu müssen, habe ich vorsorglich eine Pannenmilch in den Schlauchreifen gefüllt und einen Pannenspray im Trikot. Grundsätzlich sollten sich damit Defekte verhindern bzw. schnell beheben lassen, sodass man zumindest bis nach Hause kommt. Bei neu eingefüllter Pannenmilch scheint das auch problemlos zu funktionieren. Nach einigen Monaten härtet die Pannenmilch jedoch aus und verliert somit zumindest einen Großteil ihrer Wirkung. Auch kältere Temperaturen, wie etwa im Herbst, wenn die Straßen nicht mehr richtig warm werden, setzen der Wirkung stark zu. Die Wirkung des Pannenspray nimmt mit sinkenden Temperaturen ebenfalls deutlich ab, wie ich im Herbst selbst erfahren durfte als sich ein kleinster Stein in den Reifen gebohrt hatte. Es ist also ein gewisses Risiko, wenn die Temerpaturen wieder niedriger werden und mehr Schmutz auf den Straßen liegt, mit Schlauchreifen unterwegs zu sein. Für mich ist das kein Ausschlusskriterium, denn für dauerhaft schmutzige Straßen sind mir die hochwertigen Carbonlaufräder ohnehin zu schade, da verwende ich dann lieber etwas schwerere Alulaufräder, wie etwa die Campagnolo Shamal oder Zonda.
Fazit
Für mich sind die Campagnolo Bora One 35 Schlauchreifen ein absolut alltagstauglicher Laufradsatz, den ich mir jederzeit wieder kaufen würde. Die Sorgen über das Aufkleben der Reifen und die Bremsleistung bei Nässe oder auf längeren Passabfahrten waren aus meiner Sicht absolut unbegründet. Die Pannensicherheit bzw Defektbehebung unterwegs ist das einzige Manko, aber das liegt an den verwendeten Reifen und lässt sich durch Verwendung anderer Reifen eventuell beheben. Es spricht also nur sehr wenig gegen die tagtägliche Fahrt auf Schlauchreifen. Ich persönlich bin damit höchst zufrieden und positiv überrascht.
Roli,
schöner Bericht. Finde ich sehr authentisch. Aktuell überlege ich mir ein neues Rad zu kaufen und die Bora’s als Satz dazu zu wählen.
Eine Frage zur Pannenmilch; Die Pannenmilch härtet nach einigen Monaten aus und kann dann nicht mehr ihre Wirkung entfalten. Du hast das separat beschrieben. Kann man die Milch nicht einfach nach gewisser Zeit aus dem Reifen über das Ventil drücken und frische Milch wieder einfüllen?
VG
Sebastian
Hallo Sebastian,
danke. Die Bora sind absolut empfehlenswert (sicher auch in 50 mm und beides als Ultra). Mittlerweile gibt es die auch als Clincherausführung, aber dazu habe ich keine Erfahrung.
Die Milch wieder rausdrücken wird eher schwierig, könnte aber klappen. Das hängt aber sicher davon ab, wie hart die Milch ist. Einfach nur frische Milch nachfüllen hilft auch. Etwas einfacher ist, im Pannenfall eine die etwas zähere Milch (zB die Extreme von Tufo) im Trikot zu haben und dann nachzufüllen.
Liebe Grüße, Roli